2. Medien, Wissen und Macht im sechsten Millennium der Schrift - Ansätze
zur Weiterentwicklung der Schriftsysteme
Der morphologische Kanon
Alles, was existiert, findet seine Erscheinung in distinkten,
also unterscheidbaren Mustern. Der Begriff "unterscheidbare Muster" ist eine
Tautologie. Alles, was ein Muster darstellt, ist unterscheidbar, und was nicht
unterscheidbar ist, kann auch kein Muster sein. Es ist müßig, zu
spekulieren, ob diese Musterhaftigkeit der Erscheinung eine Eigenschaft der
Dinge selbst ist, oder ob dies ein "Artefakt" von Nervensystemen ist. In
biologischer Sichtweise ist ein Nervensystem ein Muster- Unterscheidungs- und
Verarbeitungs-System, das der Selbsterhaltung des Individuums dient. Das
menschliche Erkenntnisvermögen ist völlig abhängig von der
Leistung dieses Nervensystems. Ausserhalb seiner Wahrnehmungsfunktionen
existiert "nichts". Die Griechen unterschieden die Bereiche des Wahrnehmbaren
als "Kosmos" und des Nicht-Wahrnehmbaren als "Chaos".
Dies soll hier der "morphologische Kanon" genannt werden.
Dieser Begriff soll an die morphologische Denkweise Goethes anknüpfen. In
ähnlicher Weise hat Christopher Alexander sein Thema der "Pattern
Languages" umschrieben.
Wissen und Macht: Gesellschaftliche Aspekte von Wissens-Medien und
-Technologien
Schrift und mathematische Notationen stellen die
hauptsächlichen konventionellen Wissens-Medien und -Technologien unserer
Zivilisationen dar. Neue computerbasierte Medien bieten das Potential zum Umbau
der wissens-technischen Infrastrukturen. Das WWW ist augenblicklich die am
deutlichsten sichtbarste Entwicklung in diese Richtung. Das Projekt MIRACLE ist
ein Ansatz der grundlegenden Neu-Konstruktion von Wissens-Medien. Es sollen
Argumentationen gefunden werden, wie und wo ein solcher Umbau notwendig und
wünschenswert, und im Rahmen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
machbar ist. Ausgangspunkt ist die Rolle der Medien als gesellschaftliche
Unternehmung zur systematischen, intersubjektiv stabilisierten Evozierung von
Vorstellungen, sowie ihrer heute bekannten neuronalen Basisphänomene. Die
behandelten Aspekte von Wissen und Macht umfassen zwei grosse Bereiche: 1) den
sozio-politischen, mit 1a) Administration und Kontrolle zivilisatorischer
Komplexe, sowie 1b) die Rolle von Medien bei der Information und Manipulation
von Bevölkerungen. Dann 2) der wissenschaftlich-technische Bereich, und die
Rolle der Medien in 2a) der gesellschaftlichen Beherrschung von Gegebenheiten
der Natur (Technik) und 2b) der systematischen Erforschung, Archivierung und
Tradition des Wissens (Wissenschaft).
Neuro-Adäquation von Wissens-Medien
Neuro-Adäquation von Wissens-Medien bedeutet die
Anpassung von Wissens-Medien an die menschliche neuronale Ökonomie, etwa
Faktoren wie Verarbeitungs- und Gedächtniskapazität des Gehirns. Eine
wesentliche Aufgabe ist die mediale Anpassung von Computern als seriellen
Maschinen, an das Gehirn als massiv paralleler Prozessor. Sprache und Schrift
sind serielle Techniken, deren Bandbreite sehr begrenzt ist. Bildverarbeitung
erlaubt es, die wesentlich höhere Kapazität des menschlichen visuellen
Systems zu nutzen. Zur maschinellen Verarbeitung muss aber eine Transformation
des Bildes in sein serielles Äquivalent möglich sein.
Struktur-transformierende Wissens-Medien
Mathematische Notation ist ein hoch strukturiertes
Wissens-Medium, Alphabetschrift ist sehr schwach strukturiert. Als Folge der
hohen Komplexität der notwendigen mentalen Operationen der Mathematik ist
sie in ihren höheren Formen nur einem minimalen Bruchteil der Menschheit
zugänglich. Maschinell unterstützte Struktur-transformierende
Wissens-Medien stellen ein grosses Potential für Computer-Anwendung dar.
Mathematica ist ein Beispiel für eine Entwicklungsmöglichkeit von der
mathematischen Seite, Markupsprachen wie XML und Ontologien sind Beispiele
für die Strukturierung des Alphabet-Mediums. Die technische Voraussetzung
hierfür sind Software-Infrastrukturen.
Software-Infrastrukturen für Wissens-Medien
Idealerweise sollten die Software-Infrastrukturen für
Wissens-Medien selber Struktur-transformierende Wissens-Medien sein. Dies
beinhaltet die möglichst flexible Anpassung und Parametrierung von
SW-Systemen. Wesentliche Vorarbeiten hierzu sind in dem Symbolator-Projekt
gemacht worden:
(URL)
(CD_local)
http://www.noologie.de/symbol.htm