3. Goethes
Faust: der Archae-Typ des Designs in Spannungsfeldern
Goethes
Werk "Faust" bietet für die vorliegende Arbeit den
Archae-Typos
des
Designs
in Spannungsfeldern
,
die nach Goethe die Esszenz des Lebendigen ausmachen.
[100]
Das Zentralthema der
Metamorphose,
der beständige Wandel der Formen, das Goethes Lebenswerk wie ein roter
Faden durchzieht, bietet hier in einer extrem kondensierten Ver-Dichtung
[101]
einen
uchronisch
wirkenden Kristallisations- und Ur-Sprungs-Punkt der oben genannten
Spannungsfelder zwischen
Sein
und
Werden,
Kreation
und
Zerstörung,
Theoretik
und
Pragmatik,
Freiheit
und
Notwendigkeit.
[102]
Die persönliche Darstellung des Ringens von Faust als handelnden Aktor
erlaubt nicht nur eine theoretische Betrachtung, sondern auch eine empathische,
persönliche, Teilnahme an dem Drama, was auch die starke Wirkung und die
zeitlose Aktualität des Stoffes in mehr als vier Jahrhunderten seit dem
Faust-Buch von Spieß von 1587 erklärt.
[103]
Der "Faust" von Goethe ist auf mehreren Ebenen ein gutes Beispiel für die
erfolgreiche kulturelle
Transmission
und
Gestaltung.
[104]
Es ist eine lebendige Transmission und Wieder-Erneuerung des altgriechischen
mythologischen und vorsokratischen Gedankenguts. Der "Faust" stellt den Weg der
abendländischen Kultur von den Ursprüngen in der altgriechischen und
orientalischen Mythologie, über die mittelalterliche Alchemie, bis in die
Moderne dar, wie schon Spengler gezeigt hat. Es ist leider im Rahmen dieser
Arbeit nicht möglich, im einzelnen nachzuverfolgen, wie Goethes Denken
auf
die Gedanken von Schopenhauer und Nietzsche eingewirkt hat, und welche
Verbindungen zu der heutigen thermodynamischen Sicht der offenen Systeme und
der Kybernetik bestehen. Es sollen lediglich einige punktuelle Hinweise gemacht
werden, über die Verbindungen zwischen dem Begriff der "Faustischen
Kultur" bei Spengler, der Kulturmorphologie von Frobenius, und den "Patterns of
culture" bei Ruth Benedict, und Gregory Batesons Zentralbegriff des "Pattern of
Pattern" (Metapattern).
[105]
3.1. Fausts
Metanoia
Am
Anfang, der Szene in Fausts Studierstube (354-460), finden wir den
Protagonisten, als typischen
Theoretiker
und Büchergelehrten, in einem Zustand, den man heute als
Midlife
Crisis
bezeichnen würde. Er erkennt, daß er zwar vieles weiß, aber
daß all sein Wissen nur tot und steril ist, und weiter denn je von der
Quelle der Schöpfung, der
Poiaesis
und der
Physis,
entfernt ist. In der Szene der Übersetzung der Stelle aus Joh. 1.1.
(1224-1237) läßt Goethe seinen Protagonisten einen
Paradigmenwechsel
(oder
Metanoia)
[106]
durchmachen. Faust wandelt sich vom
Theoretiker
zum
Praktiker,
indem er das "
en
archae en ho logos
(Im Anfang war das Wort)" neu übersetzt.
[107]
Faust ändert die Übersetzung in: "
Im
Anfang war die Tat
"
(1237). Da das Ganze aber ein alchymischer Prozess ist, verändert er auch
damit sich selbst, seine eigene psychische Grundstruktur (
Metanoia),
und eröffnet damit in seiner Seele den Raum für das Erscheinen des
Mephistopheles.
3.2. Mephistopheles
und Mae-phaistos
Die
Tiefgründigkeit und Tiefsinnigkeit der Anspielungen an die antike
Mythologie, Hesiodos und die Vorsokratiker, und die Alchemie, läßt
sich nicht direkt aus dem Faust-Text entnehmen, sondern muß aus dem
erschlossen werden, was Goethe
im
Verborgenen
läßt.
[108]
Dazu ein kurzer Exkurs zu dem Wort "Mephistopheles" und seine Verbindung zu dem
Goetheschen Zentralthema der
Metamorphose.
In (1331-1332) sagt Faust wohl nicht ohne Grund: "Bei euch, ihr Herrn, kann man
das Wesen gewöhnlich aus dem Namen lesen", das ist ein genügender
Anlaß, sich einige tiefergehende Gedanken zu dem "Wesen des Namens
Mephistopheles"
(nomen est omen) zu machen. Es ist wahrscheinlich hebräischen Ursprungs (
Mephiz,
Zerstörer and
Tophel,
Lügner) aber es läßt sich sehr gut für griechische
Wortspiele (
Metamorphosen)
verwenden,
[109]
die alle im Faust-Kontext einen Sinn ergeben. Melanchthon hat es als
mae-photo-philaes
(Nicht-Licht-Freund) interpretiert.
Mephisto
läßt sich aber auch als Anklang auf
pistis,
den
Pakt
ausdeuten, den er mit Faust schließt. Oder es kann ein Anklang auf
hephaistos
sein, den olympischen Schmiedegott (der hinkte, und immer an rauchigen Feuern
stand), der auch als
ho
phainon
bekannt war.
[110]
Das Verb
phaino
ist mit dem modernen Wort
Phänomen[111]
verwandt, und bedeutet: Zum Licht (Leuchten) oder zum Klang (Klingen) bringen,
und verbindet damit die Worte
phos
(Licht) und
phonae
(Klang).
[112]
Nebenbei ist
ho
phainon
auch der Name für den Planeten (und die alchymische Kraft)
Saturn.
Das
Mae-phaistos
kann also als Verneinung von
phainon
gedeutet werden, was auf das
Verborgene
hinweist, das Goethe hier mit allen seinen Untertönen in das Faust-Drama
einbringt.
[113]
3.3. ex
archaes - en archae
Der
Stelle Joh. 1.1. christlicher (hellenistischer) Version, entspricht (im
Verborgenen) die altgriechische Version der Theogonie von Hesiodos
[114]:
"
ex
archaes
...
hoti
proton genet auton
(vom Ursprung an... was von ihnen zuerst entstand)", und weiter: "
aetoi
men protista Chaos genet, autar epeita Gai' eurysternos
"
(wahrlich, im Ursprung entstand das
Chaos,
aber dann die breitbrüstige
Gaia...)
(Theog., zl. 116-117, siehe auch Faust 455-459). Kontrastieren wir nun beide
Stellen: "
en
archae ... logos
"
(Joh.) gegen "
ex
archaes ... -> Chaos -> (Chaea)
[115]
Gaia (Gaea) -> Rhea -> Hera
"
(Hesiodos). Wenn wir Fausts Formulierung zurückübersetzen: "
Im
Anfang war die Tat
"
(
en
archae ... ergon
),
und die Wort-Klänge ineinanderfließen lassen,
[116]
so erhalten wir ungefähr: "
en
ar...chae... chaos... gaea -> en-er-geia -> ergon
".
[117]
Diese Wort-Klänge weisen uns auf ein Ur-
Spannungsfeld
hin, zwischen
en-ergeia
(die Kraft, die zum Werden bringt) und
ergon,
(das Gewordene, das Werk, die Tat) (W.v.Humboldt),
[118]
oder Lateinisch:
Principium
non
est principiatum
.
Daß
en-er-geia
"zufällig" so klingt wie eine Klang-Überleitung zwischen "en archae"
und "chaos" und "gea" kann in diesem Kontext nicht weiter verfolgt werden
.
Goethe läßt in der kurzen Szene "Finstere Galerie" (6173-6306)
seinen Protagonisten Faust den Gang ins
Ungeformte,
in das
A-Peiron
des Anaximandros, antreten.
[119]
Dies ist das Reich "
der
Mütter
",
der
materia,
[120]
der Be-reich jenseits alles Reichenden, Greifenden, Tastenden, Fassenden, das
Grenzenlose: "In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden" (6256). Der Besuch
Faustens in diesem Reich findet, verständlicherweise, ohne Teilnahme der
Zuschauer, im
mae
phainon
,
im Verborgenen, statt, ebenso wie sein späterer Gang zu Persephone, um
Helena an die Oberwelt zu holen.
Mit
der Einführung des Mephistopheles bringt Goethe auch die archaische
Göttergeneration zur Wieder-Auferstehung
,
die in der Hesiodschen Theogonie
[121]
(119-132) als erste aus dem Chaos entstanden ist.
Ich
bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war, / Ein Teil der Finsternis, die
sich das Licht gebar, / Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht / Den alten
Rang, den Raum ihr streitig macht (1348-1352) / Des Chaos wunderlicher Sohn
(1384)
In
der Szene der "Klassischen Walpurgisnacht" verwandelt (Metamorphose) sich
Mephistopheles in eine der Ur-Meergöttinnen der Phorkyaden (7984-8033).
(Meph.)
Da steh' ich schon, / Des Chaos vielgeliebter Sohn! / (Phorkyaden) Des Chaos
Töchter sind wir unbestritten / (Meph.) Man schilt mich nun, o Schmach,
Hermaphroditen. (8027-8029)
3.4. Mephistopheles
als Agent der Metamorphose
Diese
Stelle, der
herm-aphroditaes
als "Des Chaos vielgeliebter Sohn" ist ein weiterer Schlüssel zu seiner
Identität, denn in den Orphischen Hymen ist er auch als der
Protogonos,
[122]
der
Erikepaios,
der
Phanes
(phaino)
,
and der
Priapus[123]
bekannt, (
Orpheus
1992: 29). Der Wort-Teil
-pheles,
kann sowohl in
-philaes
(Freund) anklingen, als auch
phaeraes,
(Träger ->
phos-phaeraes
=
Lucifer)
[124],
als auch
phalaes
~
phallos,
also das männliche Zeugungsorgan, verweisend auf den
Priapos.
[125]
Nach
Graves
(1988: 30) ist er auch der
Eros,
[126]
der aus einem silbernen Ei geschlüpft ist, das von Nyx (der Nacht) in den
Schoß der Dunkelheit gelegt worden war, und er setzte das Universum in
Bewegung. Eros war doppel-geschlechtlich
[127]
und hatte goldene Flügel, er hatte vier Köpfe, mit denen er manchmal
wie ein Bulle oder ein Löwe brüllte, manchmal wie eine Schlange
zischte, und manchmal wie ein Widder blökte. Wir finden hier also einige
wesentliche Facetten dieser enigmatischen Gestalt, die uns in der christlichen
Sichtweise als der
Teufel
(von
Diabolos[128])
bekannt ist, und die "im Anfang alles war" (1348).
Die folgende Darstellung ist, wenn man daraus die christlichen moralin-sauren
Anteile neutralisiert, eine Re-formulierung des Anaximandros-Fragments:
[129]
Und
das mit Recht; denn alles, was entsteht, / Ist wert, daß es zugrunde
geht; / Drum besser wär's, daß nichts entstünde. / So ist denn
alles, was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz das Böse nennt, / Mein
eigentliches Element. (1335-1344)
Die
fehlende Integration der essentiellen Kräfte des Vergehens, des Abbaus,
oder in heutiger
Sprechweise, der
Entsorgung,
im abrahamitischen Schöpfermythos ist, wie Bazon Brock darstellt, ein
entscheidender Defekt der westlichen Zivilisationen, deren kulturelle
Leitthemata noch immer auf diesem Schöpfermythos beruhen:
Brock
(AGEU, 185): Der
Mythos
des schöpferischen Hervorbringens
ergibt aber ohne sein Pendant, die Fähigkeit etwas aus der Welt zu
bringen, die Konsequenz, daß die Welt langsam vollgestellt wird mit all
dem, was in ihr vorher nicht existent war. Das heißt, daß der
Schöpfer oder das Kollektiv der schöpferischen Menschen die Welt
gerade dadurch zerstören, daß sie ununterbrochen und immer schneller
die Welt mit den Produkten ihrer Schöpfungsfähigkeit verstellen.
Also
weit davon entfernt, in der Gestalt des Mephistopheles das Ur-Böse zu
sehen, könnte man ihn sinnvoller als den
Schutzpatron
der Ökologen
ansehen.
[130]
In
(1353-1377) stellt sich Mephistopheles als die archaische Kraft des Chaos dar,
des Werdens und Vergehens, der Dynamis, der Veränderung, und der Bewegung:
"Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand", die in der heutigen
Wissenschaft das Thema der Thermodynamik und Chaostheorie ist. Mephistopheles
wird von Goethe im Faust als Agent der
Metamorphose
dargestellt. Die Wandlung der Formen ist ein Prozess, der selten harmonisch und
ohne Störungen verläuft, meist aber mit Brüchen und
Kämpfen, und Zerstörung alter Formen verbunden ist. Dies verbindet
den Faust-Stoff mit heutigen wissenschaftlichen Fassungen wie der
Katastrophentheorie von R. Thom.
[131]
Es sei daran erinnert, daß das griechische Wort
tropae
ursprüglich "Umkehr, Rückkehr, Wendung, Veränderung" bedeutete,
und der Begriff
en-tropia
bedeutete also "Kraft, Potential zur Veränderung".
[132]
Der aktuelle physikalische Gebrauch ist aber eher das Gegenteil davon, da
Entropie
die Tendenz zum thermodynamischen Gleichgewicht, also dem Wärmetod, damit
den unvermeidlichen
Verlust
des
"Potentials
zur Veränderung"
bezeichnet. Eine ähnliche "Umwertung der Worte" wurde auch schon bei der
Differenz der Begriffe der
energie
und
energeia
festgestellt.
[133]
Der Pakt mit Faust, und das folgende Drama entfaltet die Entfesselung dieser
archaischen Kräfte, und ihr letztliches Sich-Selbst-Brechen im Tode. Das
Wort
Mephistopheles
wirkt aus seiner Klang-Multivalenz heraus als ein unaufgelöstes
semantisches Spannungsfeld, ein ursprünglicher (primordialer,
archae)
Attraktor, wie bei Thom beschrieben.
[134]
3.5. Klang
und Licht - Apollinisch und Dionysisch
Die
Klang
/
Licht
-Thematik des
Mephistopheles
wird ebenfalls in der hebräischen Genesis ausgedrückt: Gott sprach (
phaemae,
phonae)
es werde Licht (
phos).
Nietzsche griff diese Polarität
wieder auf, als er die Differenzierung von
Apollinisch
und
Dionysisch
aufstellte.
[135]
Auch wenn diese Götter nach Hesiodos einer späteren Generation
angehören, wiederholen sie in ihrer Polarität den Dualismus von
Phos
und
Phonae,
von
Licht
und
Klang,
und von
Licht
und
Dunkelheit,
die in dem Wort
Mephistopheles
schon angeklungen sind. Die Verbindung zu Apollon geht über die
phos-
Wurzel, zu Dionysos über die
phonae-
Wurzel. Der Beiname von Apollon ist
phoibos,
der klare, strahlende, helle.
[136]
Er ist der Lichtgott, und übertragen, der Gott der klaren
Rationalität, des
Logos,
wie er in Joh. 1.1. beschrieben wird.
[137]
Sein Gegenspieler ist Dionysos, der Gott des tosenden Lärms und der
Dunkelheit, sowie des Rausches und der Ekstase (Orphischer Hymnus), der von der
christlichen Religion zum
Diabolos
stilisiert worden ist.
[138]
Sein dionysisch- / mephistophelisches "Glaubensbekenntnis" drückte
Nietzsche hier aus:
Die
Bejahung des Vergehens
und
Vernichtens
,
das Entscheidende in der dionysischen Philosophie, das Jasagen zu Gegensatz und
Krieg, das
Werden,
mit radikaler Ablehnung auch selbst des Begriffs "Sein" - darin muss ich unter
allen Umständen das mir Verwandteste anerkennen, was bisher gedacht worden
ist. Die Lehre von der "ewigen Wiederkunft", das heisst vom unbedingten und
unendlich wiederholten Kreislauf aller Dinge - diese Lehre Zarathustra's
könnte
zuletzt auch schon von Heraklit gelehrt worden sein. Zum Mindesten hat die
Stoa, die fast alle ihre grundsätzlichen Vorstellungen von Heraklit geerbt
hat, Spuren davon. - (Ecce homo, Geburt der Tragödie, 3)
[139]
Safranski
(1999): "Die Gegensätze bewirken eine Spannung, die das Lebendige zur
Steigerung anreizt und nicht in einem Dualismus erstarren läßt.
Licht und Finsternis sind solche Polaritäten, die zusammen die farbige
Welt hervorbringen. Auch mit Gut und Böse verhält es sich so."
[102]
Metamorphose:
Cassirer (1959: 175),
Paglia (1991: 255); s.a. Goethes
Methode des Dilettantismus,
Stratmann (1995: 87); Einwirkungen von Heraklit
auf Goethe:
Heraklit 1976: 53-54.
[103]
Der Faust-Stoff vor Goethe: Erste Erwähnung in einem Brief des Johannes
Trithemius, 20.8.1507, Spieß: 1587, Marlowes Faust (1604), und die
Faust-Legende als Puppenspiel-Aufführung, das Goethe in seiner Kindheit
sah. U.a. Referate: Dornach (1999);
Campbell (1996, IV: 683-716), Spez.
Faust: (1996, IV: 711-714). Weitere heutige Aktivitäten: Weimar 1999.
[105]
Verbindung zu Ruth Benedict:
Bateson (1979: 211-212); Metapattern:
Volk
(1995)
[106]
(Matth. 4, 17), s.a. die Verbindung mit
tropae
->
en-tropie;
tropae
(
trepo):
das Umwenden, Umkehr, Rückkehr, Wendung, Veränderung.
[108]
Heidegger (1976b: 203): Die "Lehre" eines Denkers ist das in seinem Sagen
Ungesagte, dem der Mensch ausgesetzt wird, auf daß er dafür sich
verschwende.
[109]
Zur Verwendung von Wortspielen als konstruktives Prinzip:
->:DESIGN_ZEIT,
p.
18 [110]
Der Schmiedegott,
ho
phainon
,
ist der Meister der hellglühenden und glänzenden Metalle, und die
Schläge seines Hammers auf dem Amboß bringen sie zum hell-erklingen.
(Hier auch die Deutsche Verbindung von
hell
in Licht und Ton, das Hallen, sowie die Laut-Ähnlichkeit von
kling-,
klang-,
und
glanz-).
[111]
S.a.: das
phainomenon,
Heidegger (1977a: 38-42), Peirces Begriff des "
phaneron"
Peirce (1931-1958): CP 1.284
[112]
Eine weitere naheliegende Verbindung läßt sich zwischen
phaino-
und
nous,
noein,
dem Erkennen im Lichte des Logos, ausmachen. Siehe dazu auch den berühmten
Satz des Parmenides (B1, 1,21): "to gar auto noein estin te kai einai"
(wahrlich, dasselbe ist Erkennen und Sein).
[115]
Gaia hat sichtbare, fruchtbringende Aspekte, die in den späteren
Göttinengenerationen als
Demeter,
Hestia,
etc. bezeichnet werden, und unterirdische, unsichtbare, verborgene,
verderbliche, zerstörende Aspekte, die meist als
chthonisch
bezeichnet werden, bzw.
Persephone,
oder
Kali
im Indischen.
Walker (1993):
Altes
Weib
,
Demeter,
Dreieck,
Hestia,
Kali
Ma
,
Persephone.
[116]
In der alchymischen Sprache des Dr. Faustus:
solve
et
coagula
/
diaballo,
metaballo, symballo
.
[117]
Bei der obigen Wortverbindung kommt nicht so sehr darauf an, ob sie
etymologisch begründet ist, sondern welche Verbindung der
Aoide
(altgriechischer Ependichter / Sänger) in der Assoziation seiner
Zuhörer projizieren kann. Es dreht sich hier um die Anwendung der
gestalterischen Freiheit oder des Design in der
Gestaltung
von Verbindungen
.
Die
Gestaltung
und
Formung
von Worten
war eine Hauptaufgabe der Sprachschöpfer der Antike, in dem Sinne, wie Plat
on
in Kratylos (390e)
Homer den
daemiourgon
onomaton
nannte.
Und das ist nicht nur auf die graue Vorzeit beschränkt.
Heidegger hat
in seinen Werken viele solcher Kunstgriffe angewendet, und wir könnten
dieses Verfahren ihm zu Ehren den
Heidegger-Operator
nennen. Mit einem kurzen Seitenblick in die Biologie: Wenn dort
ausschließlich nur Regeln wie die der Etymologie angewandt werden
könnten, wäre es unmöglich, einen Vergleich zwischen der Flosse
des Haies und des Delphins zu machen, oder dem Auge des Wirbeltiers und des
Polypen. Letztere entstammen von stammesgeschichtlich nicht verwandten
Evolutionslinien. S.a.
Portmann (1974: 52),
Spengler (1980: 734-735,
743-744),
Cassirer (1994: 114-115) zu der Rolle von Goethe in der
Neuschöpfung in der deutschen Sprache.
[118]
Humboldt (1963: 41)
[120]
Anspielung auf das
hylae-
morphae-
(
materia-
forma-)
Prinzip des Aristoteles.
Mater
=
Mutter.
Materie ist weiblich, Form ist männlich. S.a. die modernen Vorstellungen
von
In-Formation.
(Capurro 1978); (Hoffmeyer 1996: 62-67).
[122]
Protogonos,
der
Erstgeborene.
Eine Ähnlichkeit besteht ebenfalls mit
Proteus,
dem Gott der immer wechselnden Formen (Meta-morphosis). s.a.
Hesiodos, ln.
115:
hoti
proton genet auton
.
[123]
(Encarta: Priapus): Priapus, in Greek mythology, god of fertility, protector
of gardens and herds. He was the son of Aphrodite, goddess of love, and of
Dionysus, god of wine, or, according to some accounts, of Hermes, messenger of
the gods. He was usually represented as a grotesque individual with a huge
phallus.
[124]
Faust (1377): "Hätt' ich mir nicht die Flamme vorbehalten"
[127]
zur Mythologie und Ethnologie der Doppel- (Mehrfach-) Geschlechtlichkeit:
Baumann (1955)
[128]
diaballo,
durcheinanderwerfen, verwirren.
s.a.:
Stanford (1996), p. xv: "Christianity created the monster that became the
devil."
[130]
S.a.
Gumilev (1990: 346-353, 355). Bei
Bachofen (1925: 301-422) ist das
Thema des
Oknos
eine Darstellung, wie die Antike die notwendige Komplementarität von
Physis
(Natur-Schöpfung) und
Lysis
(Auflösung) deutlich machte. Daher wurde
Eros
auch der
lysimelaes
(gliederlösende) genannt (
Hesiodos 1978: 16, 29, 30, 53: ln. 121).
->:WEAVING,
p.
165
[131]
Safranski (1999): "Natur als schöpferischer Prozess, das bedeutet
Polarität und Steigerung. Das war Goethes dialektische Formel" ...
"Zwischen Faust und Mephisto gibt es genau jene polare Spannung, die zur
Steigerung führt." ... "Goethes Weltspiel zeigt, wie über
längere oder kürzere Kausalreihen das gelingende Leben hier die
Zerstörung von Leben dort zur Folge hat."
Thom
(1975: 323): "Our models attribute all morphogenesis to conflict, a struggle
between two or more attractors.
->:SPANNUNGSF,
p.
22
Paglia
(1991: 248-259): "All of Faust is a Walpurgisnacht, ... the great mix, of
classical with Christian culture, tragedy and comedy, epic with lyric"... "sex
change of Mephisto, as Phorkyas"
[132]
Die Verbindung von
tropae
zur
strophae
im musikalischen Bereich wurde schon erwähnt. Die griechische Bedeutung von
melos
erzeugt eine eher ungewöhnliche Assoziation, als:
Glied,
Lied,
Singweise,
Melodie,
Harmonie.
So ist der oben erwähnte
Eros
lysimelaes
derjenige, der nicht nur die
Glieder
löst, sondern auch die
Lieder,
bzw. sie in ihre Wendungen bringt:
{s}trop{h}ae
->
en-strophia
.
Bemerkenswert ist hier die Ähnlichkeit, mit der der deutsche Begriff dem
griechischen folgt.
[136]
Apoll, der
phoibos
ist
der Gott des Lichts: Ähnlich die Worte für Seh-Phänomene:
phos,
photo-,
phoos
und
phaos.
->:PHAOS,
p.
242 [139]
Siehe auch: Götzen-Dämmerung, Die "Vernunft in der Philosophie", 2.
und: Faust (1377): "Hätt' ich mir nicht die Flamme vorbehalten"