2. Die
primären Spannungsfelder
Zunächst
soll hier aber der methodische Ansatz der Arbeit vertieft werden. Wie der Titel
schon ankündigt, ist "Kultur" in einem Spannungsfeld zu behandeln. Das
Thema wird nicht in einer festen "
Definition"
fixiert
und
eingegrenzt,
[37]
sondern die Spannung ist ein integrales Element der Bearbeitung des Themas.
[38]
Das ur-sprünglichste Spannungsfeld von
Werden
und
Vergehen
führt uns an den Beginn der abendländischen Philosophie, zu
Anaximandros:
archaen
... eiraeke ton onton to apeiron /
Der
Ursprung (oder: Anfang) der seienden Dinge ist das Unbegrenzte (apeiron)ex
on de he genesis esti tois ousi /
Aus
welchen (seienden Dingen) die seienden Dinge ihre Entstehung haben
kai
taen phthoran eis tauta ginesthai kata to chreon /
dorthin
findet auch ihr Vergehen statt, wie es gemäß der Ordnung ist
didonai
gar auta dikaen kai tisin allaelois taes adikias kata taen tou chronou taxin /
denn
sie leisten einander Recht und Strafe für das Unrecht (adikia)
gemäß der zeitlichen Ordnung (chronos)
[39]
2.1. Paradigmata,
neuronale Attraktoren und Perspektivenwechsel
Hier
soll die Sichtweise von "Kultur" nicht als "
Gewordenes",
sondern als "
Werdendes"
entwickelt werden.
[40]
Es gibt verschiedene Metaphern, die zur Verdeutlichung von primären
Spannungsfeldern zu verwenden sind. Im Sinne von Kuhn
[41]
können wir sie auch
Paradigmata
nennen, und aus der Physik ist das
gravitationale
Feld
gut bekannt, und die Schwerkraft-Anziehung kann hier
cum
grano salis
als Modellbild dienen. Mit einer Metapher aus der Chaos-
[42]
und Katastrophentheorie können sie
Attraktoren
genannt werden.
[43]
Der Begriff des Attraktors deutet eine Anziehung (oder ein wirkendes Feld, eine
Spannung) an, daher soll er im folgenden Text als Terminus
für
einen
Anziehungspol
eines erkennenden neuronalen Systems
gebraucht werden. (Die Arbeitsweise des neuronalen Systems wird in einem
späteren Kapitel behandelt).
[44]
Im Normalfall der Alltagswahrnehmung erzeugen die Attraktoren unseres
neuronalen Systems aus dem Eingabemuster der Sinneseindrücke ein
eindeutiges, wohldefiniertes Bild unserer Umwelt. Eine besondere Konfiguration
von Attraktoren ist die
bipolare,
die auch unter dem Namen
Dichotomien[45]
bekannt ist, in der unsere Erfahrung und das Erkennen in polare Bereiche
aufgeteilt wird
.
Wie wir aber alle schon erfahren haben, kommt es oft vor, daß ein
Sachverhalt sich auch bei gleichem Sinneseindruck oder Datenmaterial
verändern kann, wenn er z.B. in einem anderen Kontext, oder aus einer
anderen Perspektive gesehen, plötzlich ganz anders dasteht als vorher.
Dieser Effekt ist besonders gut bei der Interpretation von Symbolen
zu beobachten, wie in der Geschichts- oder Literaturwissenschaft.
[46]
Das Prinzip solcher Veränderungen der Wahrnehmung läßt sich gut
mit einem bekannten Beispiel
aus
der Wahrnehmungspsychologie erläutern:
Die
Boring Frauen: Gestalt-Bild zur Demonstration neuronaler Attraktoren
Dieses
Bild beweist ohne großen theoretischen Ballast die grundsätzliche
Wirkung neuronaler Attraktoren.
[47]
Wir können zwei verschiedene Motive in dem Punktmuster, aus dem das Bild ge
bildet
wird, erkennen: Eine alte Frau und eine junge Frau. Auf diese Motive hin wird
das Erkennen des neuronalen Systems "angezogen". Wesentlich dabei ist,
daß unser Wahrnehmungssystem autonom zwischen den beiden
Möglichkeiten hin- und herschalten kann. Wie andere Bilder, z.B. der
Necker-Würfel zeigen, ist es nicht direkt vom Willen zu beeinflussen,
welches Bild gerade gesehen wird.
Diese
inhärente Dynamik ist das Grundprinzip des
neuronalen
Attraktors
.
Gemäß
der heutigen Sicht in der Gehirnforschung wird das Umschlagen von
Gestaltmustern im Folgenden als grundsätzliche Funktionsmöglichkeit
des Weltbildapparats
[48]
vorausgesetzt, in dem Sinne, daß Weltbilder, Referenzrahmen,
Perspektiven, und Kuhnsche Paradigmata mehr oder weniger spontan umschlagen
können.
[49]
Ähnliche Erscheinungen werden auch als
Metanoia,
[50]
(
Kata-)
Strophae[51],
Tropae,
[52]
oder
Satori[53]
bezeichnet.
2.2. Das
Spannungsfeld von Statik und Dynamik, Sein und Werden
Das
Spannungsfeld von "
Sein"
und "
Werden",
bzw. "
Vergehen"
[54]
ist das Hintergrundthema von Heideggers "Sein und Zeit". Die
Seins-Thematik
Heideggers steht in der europäischen philosophischen Tradition (dem
Paradigma) des
Ontischen,
die mit
Parmenides,
Zeno, Plat
on
,
und Archimedes
[55]
verbunden wird.
Dasein
ist aber immer
in
der Zeit
,
und damit dem
Werden
und
Vergehen,
der
Dynamis,
der
Veränderung,
und dem
Prozess,
unterworfen. Davon handelt das Werk Heideggers aus der Perspektive des Erlebens
des (menschlichen) Individuums. Wenn wir die dazu entgegengesetzt-polare
Perspektive einnehmen, so orientieren wir uns grundsätzlich am
Werden.
In der Wissenschaft nimmt die
Thermodynamik
diesen Pol als Referenzpunkt ein. "
Das
Sein zum Tode
"
Heideggers ist in der Sprache der Thermodynamik die entropische Tendenz aller
seienden Dinge zur Zersetzung und Auflösung im thermodynamischen
Äquilibrium. Heideggers Zentralthema der "Sorge"
[56]
bezieht sich auf die bewußt erlebte Angst des Individuums (z.B. vor dem
Tode). In der unpersönlichen Darstellung, auf die thermodynamische Sprache
der dissipativen Strukturen übertragen, finden wir hier das Hauptmerkmal
des Lebens:
Leben
ist die Aktivität von dissipativen Strukturen, ihre Muster gegen den
entropischen Strom der Auflösung zu bewahren, fortzupflanzen, und
fortzuentwickeln
.
[57]
2.3. Das
Paradigma des "Werdens": Dissipative Systeme
Die
Sichtweise des "Werdens" wurde im Westen von einer philosophischen Tradition
vertreten, die mit den Namen
Heraklit,
[58]
Aristoteles,
Nietzsche
und
Whitehead
verbunden ist, und die im Osten in der
Paticca
Samuppada
-Lehre
des Buddha ausformuliert worden ist
.
[59]
In der heutigen Naturwissenschaft ist die
Thermodynamik
der Hauptvertreter einer essentiell prozessualen Sicht des Kosmos, die vor
allem durch
Prigogine
und
Jantsch,
und von einigen Kybernetikern, Systemtheoretikern, und Ökologen, mit der
Erforschung der (Selbst-) Organisationsprozesse des Lebens verbunden wurde.
[60]
In der thermodynamischen Sicht sprechen wir von
irreversibler
Zeit
,
und von
offenen
Systemen
.
[61]
Die essentielle Dynamik des Lebens wurde von Nietzsche
sehr deutlich in einem Aphorismus formuliert
.
Ja!
Ich weiss, woher ich stamme! / Ungesättigt gleich der Flamme / Glühe
und verzehr' ich mich.
Licht
wird Alles, was ich fasse, / Kohle Alles, was ich lasse: / Flamme bin ich
sicherlich.
[62]
So
wie es ein philosophisches Spannungsverhältnis von "Sein" und "Werden"
gibt, so gibt es in der Physik eine der Thermodynamik gegenüberstehende
Position der vorherrschenden mechanistischen, Newton- / Laplace- / Cartesischen
Orientierung,
[63]
mit
reversibler
Zeit
,
und energetisch
geschlossenen
Systemen
,
die sich im
energetischen
Gleichgewicht
befinden.
In
der vorliegenden Untersuchung soll das Paradigma des "Werdens" auf die
Transmission und Gestaltung in der Kultur übertragen werden. Die Sicht-
und Vorgehensweisen, die mit der fundamentalen Orientierung an den Polen von
"Sein" und "Werden" verbunden sind, unterscheiden sich prinzipiell. Der Pol des
"Werdens" ist mit Offenheit und Unbestimmtheit verbunden. Eine solche
grundsätzliche Unbestimmtheit wird in den naturwissenschaftlichen
Diskursen durch Chaostheorie und Quantenphysik z.B. mit dem "Butterfly-Effekt"
oder der Heisenbergschen Unsicherheitsrelation ausgedrückt.
[64]
Nietzsche drückte das als grundsätzliche Wissenschaftskritik mehr
poetisch und etwas pointierter mit seinem Aphorismus zur Zahl aus:
Die
Erfindung der Gesetze der Zahlen ist auf Grund des ursprünglich schon
herrschenden Irrthums gemacht, dass es mehrere gleiche Dinge gebe (aber
thatsächlich giebt es nichts Gleiches), mindestens dass es Dinge gebe
(aber es giebt kein "Ding"). Die Annahme der Vielheit setzt immer voraus, dass
es
Etwas
gebe, das vielfach vorkommt: aber gerade hier schon waltet der Irrthum, schon
da fingieren wir Wesen, Einheiten, die es nicht giebt.
[65]
2.4. Spannungsfeld
von Theoretik und Pragmatik, Kausalität und Gestaltungsfreiheit
In
Nietzsches Paragraph "
Von
der Unbefleckten Erkenntnis
"
[66]
finden wir ein weiteres Spannungsfeld
:
Theoretik
gegen
Pragmatik,
sowie: Notwendigkeit (
Anankae),
(Natur-) Gesetz, und
Kausalität,
gegen Entscheidungs- und Gestaltungs-Freiheit (
Poiaesis).
[67]
Das Spannungsfeld von Theoretik und Pragmatik soll hier zur Verdeutlichung der
Spannung zwischen den Tätigkeitsfeldern des
Gestaltens
(
Design,
Pragmatik)
und der
Philosophie
als Unternehmen der
Theoretik,
des
Erkennens
und
Beschreibens,
dienen. Ohne Nietzsches Wertung explizit zu übernehmen, dient seine
Beschreibung "
Von
der Unbefleckten Erkenntnis
"
zur Veranschaulichung
:
Theoretik
als kognitiver Attraktor
[68]
nimmt an, daß es so etwas wie ein berührungsloses Betrachten der
Dinge geben könnte, was aber (s.o.) thermodynamisch und
informationstheoretisch unmöglich ist.
[69]
Pragmatik
wird hier im Sinne Nietzsches als formender Eingriff in den Gang der Dinge "als
Schaffende, Zeugende, Werdelustige" begriffen.
Pragmatik
beinhaltet, daß wir nicht nur in den selben Fluß nicht zweimal
steigen können (Heraklit)
[70],
sondern daß wir durch unseren Eingriff den Fluß des Flusses selbst
beein"
fluss"en
(Butterfly-Effekt). Wir können der Notwendigkeit der Folgen eines jeden
Eingriffs nicht entkommen, und wenn wir schon "die Kreise stören"
(Archimedes
)
[71],
dann wollen wir es eben
mit
Lust
tun (Nietzsche), als
Designer.
[72]
Goethes Faust-Thema gibt ein Beispiel dramaturgischer Behandlung essentieller
Motive des kreativen Handelns, welches damit auch Zerstörung beinhaltet.
[73]
Mit
einem Rückgriff auf die alte Mythologie können wir auch das Design in
den Kontext der philosophischen Grundthemen bringen. Dies sind die Begriffe der
Poiaesis,
[74]
der
Dynamis,
und der
En-ergeia,
den Urthemen der
Zeugung
und der
gestalterischen
Freiheit
,
der in den alten Mythologien mit den
Archae-Typen
des
Daemiourgos,
[75]
des
Prometheus,
des
Daidalos,
[76]
und des
Hephaistos[77]
verbunden ist, und die gleichzeitig mit der altgriechischen Philosophie in der
Kunst und Architektur die Grundlagen der europäischen Kultur gelegt haben.
Die mythischen Bilder der griechischen Ur-Designer (
Archae-poiaeten)
zeigen uns aber noch einen essentiellen Aspekt, der im jüdischen
Schöpfungsmythos der Genesis herausdividiert worden ist. Während
Jahweh durch sein allmächtiges Schöpferwort einfach den Befehl geben
kann: "Es werde Licht", hat der griechische Archae-poiaetaes immer mit den
Umständen zu ringen, mit der Notwendigkeit (
Anankae),
der widerständigen Materie, die nicht einfach so herumzukommandieren ist.
Dies drückt sich in den mythischen Bildern immer in allerlei Ungemach aus,
das der Designer erdulden muß: Entweder ist er selber, in seiner eigenen
körperlichen Form, mißgestaltet (Hephaistos),
[78]
oder er wird von den Göttern schrecklich bestraft (Prometheus),
[79]
oder es sind seine Kunstwerke selber, die ihn in immer weitere Probleme bringen
(Daidalos)
.
Poiaesis
steht in einem existentiellen Spannungsfeld zwischen "Design oder Nicht-Sein".
2.5. Das
Spannungsfeld von Form und Substanz
Eine
wesentliche weitere methodische Grundlage der vorliegenden Arbeit entwickelt
sich in dem Spannungsfeld von
Form
und
Substanz.
Dies betrifft eine philosophische Grundfragestellung nach dem Wesen der Dinge:
Entweder wir fragen danach,
was
es ist
,
[80]
seiner
Substanz,
oder wir fragen:
was
ist seine Form
,
bzw. sein
Muster?
[81]
In der europäischen Philosophie-Tradition ist die Frage nach dem Muster
mit Pythagoras und seiner Schule verbunden, in seiner Nachfolge mit den
Gnostikern, und den Alchemisten, wir finden sie in der
Morphologie
Goethes, im 19. Jh. bei Lamarck, und im 20. Jh. u.a. bei Gregory Bateson. Die
vorliegende Arbeit basiert auf dem Prinzip der
Form,
und der
Formveränderung,
der
Meta-Morphose
Goethes,
deren numinoses Sinnbild
Proteus
war, der altgriechische Meeresgott der Verwandlung, der die ewig
fließenden und formenden Kräften des Wassers personifizierte
[82].
Die "Systematik der
Formen
kultureller Transmission" wird in einer
Meta-Morphologie
der
Transmission
kultureller
Muster
entwickelt.
2.6. Tri-
und mehrpolare Attraktoren
Wie
oben schon gesagt, sind
bipolare
Attraktoren
weit bekannt, weniger vielleicht
mehrpolare.
Die genauere Klärung ihrer Existenz
und ihrer Gesetze liegt jenseits der Themenstellung der vorliegenden Arbeit. Im
vorliegenden Kontext wird das Thema pragmatisch in einem solchen Spannungsfeld
behandelt. Es sollen hier lediglich einige Seitenblicke angerissen werden: In
der Metapher des gravitationalen Feldes finden wir das
Dreikörperproblem,
also die gegenseitige Anziehung von drei Massen, dessen Verhalten (i.e. die
Berechnung ihrer Bahnen) mathematisch unlösbar ist, und es stellt einen
der Grundtypen eines chaotischen Systems dar. Die geistesgeschichtlichen
Hintergründe und Bezüge des
tripolaren
Attraktors
wurden von Cyrill v.
Korvin-krasinski
(1986) in "Trina Mundi Machina" bearbeitet. Peirce hat eine ähnliche
grundlegende Klassifikation mit seinem Kategorien-System von
Firstness,
Secondness
und
Thirdness,
entworfen
.
Eine skizzierte Darstellung der "Trina Mundi Machina" als
"Entity-Relation-Transaction" Triade befindet sich im Materialteil.
[83]
Das
tripolare Spannungsfeld der Zerstörungsfaktoren der kulturellen
Transmission wird gebildet von den zu vermeidenden Polen
[84]:
1)
Zerfall: Die Tendenzen der entropischen Zersetzung, und Auflösung.
[85]2)
Erstarrung: Die Tendenzen von mechanischer, rigider Transmission, Gerontokratie.
[86]3)
Hypertrophie: Die Tendenzen des chaotischen, und blinden Wildwuchses, Jugendwahn.
[87]
Die
anzustrebenden, gegeneinander auszubalancierenden, Maximen des guten
kulturellen Design wurden oben schon genannt:
1)
Das
Bewahren,
die
Tradition
des Erreichten, die
Fortpflanzung
der kulturellen Güter und Errungenschaften von der Vergangenheit in die
Zukunft.
2)
Die
Kreativität,
die
Permanente
Neugestaltung
,
die
Selbst-Erneuerung
der "Kultur".
2.7. Das
Spannungsfeld der Sprachen: Griechisch, Deutsch, Englisch
Die
vorliegende Arbeit bewegt sich in dem Spannungsfeld von drei Sprachen:
Altgriechisch,
Deutsch,
und
Englisch.
Auch hier ist es ein Designthema der Arbeit, diese Spannung nicht zugunsten
einer einzigen Sprache aufzulösen, sondern sie als ein wesentliches
Element des Arbeitsprozesses, als Dynamis, und als "Difference that makes a
Difference" (
Bateson),
[88]
als Werdendes, nicht Gewordenes, mitzuführen, und, als angewandtes
Sozio-Design, den Leser in diese Dynamik mit einzubeziehen.
Zu
Altgriechisch: Das Kernthema der Arbeit, die kulturelle Transmission, zeigt
sich in einem Negativbild anhand des kulturellen Bruchs, der zwischen der
altgriechischen Wurzel des europäischen Denkens,
[89]
und den modernen europäischen Sprachen besteht. Ein Symptom dieses Bruchs
ist die heute praktisch verlorengegangene klassische Sprachkenntnis. Zwar
bestehen die wissenschaftlichen Vokabularien zu einem großen Teil aus
griechischen und lateinischen Termini, aber ihre Verwendung entspricht oft
nicht mehr den ursprünglichen Bedeutungen der Worte (z.B. der Begriff der
"Energie", s.o.). Im Unterschied zu den chinesischen Klassikern, wie Konfuzius
und Lao Tse, die die heutigen chinesischen Gelehrten noch im Original lesen
können,
[90]
müssen wir bei
Homer
und
Hesiodos,
Heraklit,
Parmenides,
Plat
on
,
und
Aristoteles,
meist auf Übersetzungen zurückgreifen. Diese sind aber leider nur
Notbehelfe, und beinhalten oft eine subtile Verfälschung.
[91]
Im vorliegenden Kontext soll anhand einiger ausgewählter Beispiele die
"Difference that makes a Difference" zwischen dem altgriechischen Denken und
der Welt der modernen europäischen Sprachen demonstriert werden. Dazu
dient auch der Exkurs in Goethes Faust im folgenden Abschnitt. Dort soll u.a.
der subtile und in modernen Sprachen nicht wiederzugebende Bezug zwischen dem
antiken Konzept des
phainomenon,
und den Worten
phaino,
phos,
und
phonae,
näher betrachtet werden.
Zur
"Difference that makes a Difference" zwischen Deutsch und Englisch: Hier
ergeben sich vor dem Hintergrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zu den
modernen indo-europäischen Sprachen, die mit dem (lateinischen) Alphabet
geschrieben werden, viele bedeutsame Unterschiede, die im vorliegenden Kontext
ihre Relevanz für das angewandte Sozio-Design haben. Sprache umhüllt
und formt alle unsere Gedanken auf direkte und subtile Weise.
[92]
Ob die Sprache unsere Gedanken auch determiniert, wie es z.B. in der
Sapir-Whorf-Hypothese
[93]
angenommen wird, oder wo man die Grenzen der Sprache ansetzen muß (sind
Musik und Mathematik als Sprache anzusehen oder nicht?), sind Detailfragen, die
hier nicht wesentlich sind. Der Werdegang der Sprachen Englisch und Deutsch
korrespondiert auch mit den Schicksalen ihrer Völker.
[94]
Würde
man Englisch und Deutsch als Ergebnisse eines geplanten
Sozio-Design-Unternehmens der letzten ca. 1000 Jahre untersuchen, so wäre
der enorme Erfolg von Englisch
sicher
einer der wichtigsten zu vermerkenden Faktoren. Englisch ist die heute am
weitesten verbreitete Sprache der Welt,
[95]
und praktisch die "lingua franca" der Geschäftswelt, der modernen (Natur-)
Wissenschaften und vor allem des Internet. Wer heute an den extrem schnellen
Publikations-Zyklen des Internet und damit dem Fortschritt der Wissenschaften,
teilnehmen will, muß sich dem Gesetz der allgemeinen breiten
Verfügbarkeit, dem "Publish or Perish" beugen, und auf Englisch schreiben
.
Im Fall der vorliegenden Arbeit empfiehlt die Integration mit anderen
WWW-Publikationen und die geplante Veröffentlichung als WWW-Hypertext
zumindest die Abfassung des Materialteils in Englisch.
Beide
Sprachen gehören der germanischen Subgruppe an, und ein wesentlicher
Unterschied liegt in der Komplexität ihrer grammatikalischen Strukturen,
vor allem der Flexionen.
[96]
Englisch hat seine Grammatik zugunsten einer leichten Lernbarkeit und
Verbreitbarkeit extrem vereinfacht, so daß es in mehrerer Hinsicht dem
Chinesischen ähnlicher geworden ist, als den indo-europäischen
Sprachen, wie dem Griechischen oder Deutschen. Die Ähnlichkeit mit dem
Chinesischen ist auch darin gegeben, daß das Schrift-Englisch praktisch
ideographisch geworden ist, da zwischen der Aussprache und der Schreibweise nur
noch historisch nachvollziehbare Bezüge bestehen. Anders als im Deutschen,
kann man durch Ablesen der Buchstaben eines Wortes kaum eine Vorstellung von
der Aussprache bekommen. Eine weitere Eigenschaft, die Englisch als lingua
franca prädestiniert, ist die Tatsache, daß sie einen extrem hohen
Anteil von lateinisch-
stämmigen
Lehnwörtern enthält, was besonders wissenschaftliche Publikationen
unterstützt: der einfache Satzbau, in Kombination mit dem sowieso für
das jeweilige Fachgebiet speziellen (lateinisch-stämmigen)
Fachvokabularium erleichtert die Ad-Hoc Konstruktion von speziell adaptierten
Wissenschafts-Pidgins. Heute ist dieser Prozess weltweit zu beobachten,
daß bei gleichzeitiger Standardisation auf Englisch als globale lingua
franca eine große Proliferation von verschiedenen
Fachgruppen-spezifischen Pidgin-Sprachen auf Basis Englisch mit speziellen
Fachvokabularien entsteht.
[97]
Deutsch
hat sich im Kontrast hierzu, eine fast barocke grammatische Komplexität
erhalten, die von den indo-europäischen Sprachen wohl dem Alt-Griechischen
am meisten nahekommt, bzw. nur von Alt-Griechisch noch übertroffen wird.
[98]
Diese Komplexität, die zwar den Interessen einer fein abgehobenen,
distinguierten Bildungselite entgegenkommt, (wie sie bis ca. 1914 als
Gesellschaftsform in Deutschland auch die Herrschaft innehatte),
[99]
erschwert damit den Einstieg von Nicht-Muttersprachlern extrem, und vermindert
damit die Popularität der Sprache
.
[37]
Siehe das folgende Anaximandros-Fragment.
finis:
lat. die Grenze. Das primäre Spannungsfeld ist zwischen dem
Eingegrenzten,
Definierten,
und dem
Un-Eingegrenzten
(
apeiron),
das
im
Anfang
ist:
en
archae
.
Dies soll weiter unten mit Bezug auf Goethes Faust weiter behandelt werden. Ein
kurzer Seitenblick noch auf die christliche Mythologie: Dort spielt der
peirazo
eine besondere Rolle: Der, der an (oder in)
die
Grenzen führt
:
Matth 4,3-11; Luc. 4,3-13. Er führt auch auf hohe Aussichtspunkte, wie
Berge oder Turmspitzen, um weite Perspektiven aufzuzeigen.
Gebser (1973),
Brock, (AGEU: 198-214),
Karbe (1995: 296)
->:PERSPECTIVE_VIEW,
p.
110
[38]
Karbe (1995: 309); Thom (1975: 323): "Our models attribute all
morphogenesis to conflict, a struggle between two or more attractors. This ist
the 2,500 year old idea of the first pre-Socratic philosophers, Anaximander and
Heraclitus. They have been accused of primitive confusionism, because they used
a vocabulary with human and social origins (conflict, injustice, etc.) to
explain the appearance of the physical world, but I think that they were far
from wrong because they had the following fundamentally valid intuition:
the
dynamical situations governing the evolution of natural phenomena are basically
the same as those governing the evolution of man and societies
,
profoundly justifying the use of anthropomorphic words in physics."
Ein
Beispiel des konstruktiven Einsatzes von Spannung in der Architektur:
Buckminster
Fuller (1975: 377 ff) nennt sein thermodynamisches Prinzip der
Konstruktion die "Tensegrity" (Tensional Integrity). In Deutschland hat Frei
Otto diese Arbeitsweise in seinem Institut für leichte
Flächentragwerke ausgearbeitet. Das am besten bekannte Ergebnis dieser
Arbeit ist das Zeltdach des Münchener Olympiastadions. Literatur dazu in
der Schriftenreihe des Instituts, z.B.:
Bach (1977),
Otto (1985)
Cassirer
(1994: 109): ... man muß einsehen..., daß sie [die Kultur] kein
harmonisch sich entfaltendes Ganze, sondern von den stärksten inneren
Gegensätzen erfüllt ist. Die Kultur ist "dialektisch", so wahr sie
dramatisch ist. Sie ist kein einfaches Geschehen, kein ruhiger Ablauf, sondern
sie ist ein Tun, das stets von neuem einsetzen muß, und das seines Ziels
niemals sicher ist.
Allerdings
ist dieses erste denkerisch geschlossene Begreifen der
physis
auch bereits der letzte Nachklang des anfänglichen und daher höchsten
denkerischen Entwurfs des
Wesens
der
physis,
wie er uns in den Sprüchen von Anaximander, Heraklit, und Parmenides noch
aufbewahrt ist.
Das
hier wiedergegebene Zitat von Anaximandros, und die im Folgenden gebrachten
Zitate anderer Denker, werden nach diesem Satz von Heidegger: "Platons Lehre
von der Wahrheit" (1976b: 203) verstanden:
Die
Lehre eines Denkers ist das in seinem Sagen Ungesagte, dem der Mensch
ausgesetzt wird, auf daß er dafür sich verschwende.
Der
kulturgenetische Standpunkt vertritt die Meinung: Kultur ist eine genetische,
iterative Dynamik, die sich stets im Zustand der Kritizität, das
heißt, der gefährdeten Stabilität befindet.
Dieser
dynamische Ansatz wurde auch von Spengler und Frobenius in Anlehnung an Goethes
Morphologie formuliert. z.B.
Haberland (1973: 1-7),
Spengler (1980): ix,
4, 7, 29, 31, 32, 35, 68, 69, 71, 73, 75, 533-549; zu Goethe, p. 35:
"geprägte Form, die lebend sich entwickelt"; p. 205: "Orphische Urworte".
[43]
Thom (1975: 38-40, 98), (p. 323): "Our models attribute all morphogenesis to
conflict, a struggle between two or more attractors."
[45]
s.a.
Brock, AGEU: 12-18, "Distinktionismus"; Dazu auch die Darstellung bei
Lippe (1997), zur Genese der exklusiv-polaren Gegensätzlichkeit von
Licht und Dunkel, Gut und Böse, in der zoroastrischen Lehre, die über
Judentum, Manichäismus und Christentum auf das westliche Denken eingewirkt
hat: p. 76, 80, 104, 173-175. Dies ist wiederum eines der Kernthemen bei
Goethes Faust (s.u.).
[46]
Cassirer (1960: 217-261)
[48]
s.a.
Brock, (AGEU: 12-18). Der Begriff
Weltbildapparat
wurde von Konrad
Lorenz und seiner Schule, u.a. Rupert
Riedl,
eingeführt, bzw. bekannt gemacht.
->:RATIOMORPHIC,
p.
122 Zu
Umschlagerscheinungen und Anwendung in Raumerlebnis und Weltbildapparat:
Karbe (1995: 331-355).
[51]
Umkehrung,
Wendung
in
der Musik. Zu
kata-strophae:
René
Thom (1975): Katastrophentheorie.
strophae:
Drehen, Wenden, Kreisen, Strophe. Plat
on:
Politeia (617 B- 620 E)
->:MOIRAE,
p.
166 [52]
tropae,
trepo:
Umkehr, Rückkehr, Wendung, Veränderung,
tropos:
Wendung, Richtung, Art & Weise, Einrichtung, Verfassung, Manier, Sitte,
Mode, Charakter, Wesen, ->
en-tropia:
Windungen oder Ränke
[55]
Archimedes wird hier als Wegbereiter der Natur- und Technikwissenschaften
genannt.
[56]
z.B.
Heidegger (1977a): § 41, p. 191; § 45, p. 231, die Beziehung
zu "Faust" in § 42, p. 198
[57]
Frei
Otto: "Naturverständnis" (1985), p. 30: "Jede lebende Ordnung ist
der Tendenz zur Destruktion abgewonnen."; Schrö
Dinger (1946: 68-75) ch.
VI: "Order, disorder and entropy";
Lorenz (1992: 140-145), "Fulguration";
eine populäre Darstellung ist in
Rifkin (1980); In einer früheren
Formulierung schon bei Spinoza (
Hoffmeyer 1996: 138); Stan
Salthe, unter
->:ERT_TRIAD,
p.
135
Heraklit,
B 64: ta de panta oiakizei Keraunos: Das Steuer des Alls führt der Keraunos.
Gumilev
(1990: 198): ... lightning is energy, in my language anti-entropic impulses
that with their rise disrupt the processes of death, the entropy of the
Universe. Force, the cause provoking acceleration, saves Cosmos from conversion
into Chaos, and the name of this force is Life. But in the eternal war of the
protogenic elements, the servants of Kronos, the hundred-handed giants or asura
(Sanskrit), lose nothing because they have nothing to lose. Kronos changed
their appearance every second, and so deprived them of personal qualities and
properties.
Gumilev
(1990: 259-262): "The Nature of Drive", Bezug auf Vernadski. Gumilev nennt den
anti-entropischen Drang "Drive". Man beachte, daß der antike Begriff
"energeia" sehr genau dem Konzept des "Drive" entspricht.
Straub
(1990, p. 8): Irreversibilität als Grundlagenproblem wird bis heute nicht
akzeptiert; der erhebliche Aufwand, der vor etwa 100 Jahren für einige
Jahrzehnte dafür getrieben wurde, diente lediglich seiner endgültigen
Verdrängung. Die Spitzenprodukte heutiger Physik, Quanten- und
Relativitätstheorie, sind Musterbeispiele für den Erfolg dieser
erstaunlichen Entwicklung... Irreversibilität [ist] ... nach Einstein eine
Illusion.
Straub
(1990, p. 9): Theoretische Physik als abendländische Ideologie... Die
Mittel dazu... extreme Formalisierung und der Konsens... rücksichtslose
Zurückdrängung der
Irreversibilität
in der theoretischen Physik.
[61]
1. Thermodynamischer Hauptsatz: Die Gesamtenergie eines geschlossenen Systems
bleibt immer konstant. 2. Thermodynamischer Hauptsatz: Die Entropie eines
Systems nimmt immer zu. (Die freie Energie nimmt ab). S.a.
Mühlmann
(1996: 16, 83), p. 47: "Das mächtige Energiewesen der Kultur existiert.
Man kann es nicht durch Philosophie beschwichtigen."
[62]
Die fröhliche Wissenschaft, Nr.62; 3,367.
Heraklit B 30, 31, 64a, 65,
66, 76, 84a, 90
Ohne
hier auf die kulturgeschichtliche {Relevanz / Genese} physikalischer
Grund-Vorstellungen einzugehen (siehe dazu
Straub und Ulanowicz, a.a.o): Die
heutige physikalische Bedeutung von
Energie
beinhaltet einen doppelten Übersetzungsfehler:
En-ergeia
hieß ursprünglich (en archae): Wirksamkeit, Tatkraft, Potential um
Werke,
oder
Taten
(
ergon)
zu vollbringen. (S.a. die Behandlung von
ergon
im Faust-Stoff weiter unten). Die erste Fehlübersetzung von
Energie,
als "Potential, um
Arbeit
zu leisten" beruht darauf, daß der heute allgemein verwendete Begriff
Arbeit
in der Antike mit dem Wort
Ponos
bezeichnet wurde, das war aber keine Sache, mit der sich ein Philosoph oder ein
freier Brürger beschäftigte, denn
Ponos
war den Sklaven überlassen. Der Aspekt des
Potentials,
oder
Poiaesis,
ist Gegenstand des zweiten Übersetzungsfehlers, denn das "Potential, um
Arbeit zu verrichten", wird "
Freie
Energie
"
genannt. Die wird aber in einem geschlossenen System nach dem 2. Hauptsatz
immer degradiert und verschwindet, wenn sich das System im thermischen
Gleichgewicht (maximaler Entropie) befindet.
[64]
Thermodynamische Unbestimmbarkeit ist z.B. dadurch gegeben, daß jeder
Messungsprozess einen Energieaustausch mit dem gemessenen System bedingt, der
damit das zu messende System u.u. entscheidend beeinflußt (perturbiert).
Dies ist zwar im Makrobereich meist zu vernachlässigen, aber es wird bei
fortschreitender Miniaturisierung z.B. für die moderne
Informationstechnologie ein wichtiger Faktor. Das Prinzip wurde von
Brillouin in der "Austreibung des Maxwellschen Dämons" dargestellt.
[66]
Zarathustra, II. Teil: "Von der Unbefleckten Erkenntnis"
[67]
Zum Unterschied der aristotelischen Begriffe
Poiaesis
und
Praxis
bei
Picht (1987: 38-40).
Poiaesis
ist
das Hervorbringen eines dinglichen Werkes (
ergon),
während
Praxis
das
Ziel (
telos)
in der Handlung selbst findet.
[68]
Was natürlich im wirklichen Leben so nie vorkommt. Auch der
idealistischste aller Philosophen muß sich auch um die pragmatischen
Dinge des Lebens kümmern. Hegel konnte als Lebenszeit-Beamter des
Preußischen Staats sein bekanntes idealistisches System entwickeln, ohne
es der Probe der täglichen Anwendbarkeit auszusetzen. Die sog.
Philosophie
des
Pragmatismus
wurde
vor allem in Amerika, von Peirce und W. James, entwickelt.
[71]
"Noli turbate circulos meos". Dieses berühmte Zitat läßt sich
auch im tieferen kosmologischen Sinne interpretieren: Dahinter verbirgt sich
die geometrische, ptolemäische Anschauung, daß die Bahnen der
Planeten aufgrund göttlicher Symmetriegesetze kreisförmig sein
müßten (der Kreis als die vollkommenste geometrische Figur, s.a. Plat
on,
Timaios). Die beobachteten Planetenbahnen sind aber "gestörte Kreise",
nämlich Ellipsen, die nach der ptolemäischen Sicht durch Epizyklen
zustandekommen. (Spektrum d. Wissenschaft, Jan. 1993, p. 84, 86-87). Noch
Kopernikus hat sich, trotz seiner "Revolution" des heliozentrischen Weltbildes
(die so revolutionär nicht war, da es schon in der Antike bekannt war),
noch zu diesem geometrischen Symmetrieprinzip bekannt. Erst Kepler hat es
gewagt, diese göttliche Harmonie des Kosmos nachhaltig zu stören,
bzw. durch seine eigene "Harmonice Mundi" zu ersetzen. S.a. (
Haase 1998);
Kepler (1982).
S.a.
Brock (AGEU, p. 134): Der Bildsturz, sicherlich auch Entsprechung zu den
damals durchgesetzten Auffassungen vom Heliozentrismus und der Kugelgestalt der
Erde, löste den Betrachter aus dem Standpunkt, der ihm vor dem
zentralperspektivisch organisierten Bildraum aufgezwungen wurde. um ihm eine
gottähnliche Perspektive auf Geschehnisse zu ermöglichen: die
Erfahrung der Gleichzeitigkeit und der Gleichörtlichkeit. Dem Betrachter
wird so die gleichzeitige Durchdringung der organisierten Bildraumsysteme von
den verschiedensten Standpunkten ermöglicht.
[72]
Dieses Thema wird weiter unten, im Kapitel "Kultur im Spannungsfeld von
Tradition und Innovation" näher behandelt. S.a. Bazon
Brock: "Anschauen
ist aber nichts Passives. Die Anschauung realisiert sich im Gehirn."
http://www.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Brock/Projekte/NeuroAe2.html
(URL)
Spengler
(1980: 715): "Wachsein ist Tätigkeit im Ausgedehnten und zwar
willkürliche Tätigkeit."... "Das Sehen eines hochentwickelten
Auges... Hier besteht ein deutlicher Wille zum Empfangen von Eindrücken;
wir nennen das Orientierung."
[74]
poiaesis:
Hervorbringen, Erzeugen, Schaffen, Bilden, Bauen, Verfertigen (Handwerker,
Künstler), Dichten, Dichtkunst, Poesie, Darstellung;
poiaetaes:
Verfertiger, Erfinder, Schöpfer, Gesetzgeber, Dichter, Schöpfer eines
geistigen Werkes. Analog dazu, im Bereich der
Natura
(
naturans),
die
physis,
verbunden mit den Worten:
phyein,
phyllo-,
und
phyto-.
[76]
daidallo:
kunstvoll arbeiten, künstlich verzieren , schmücken,
daidalma:
Kunstwerk
[77]
S.als Kontrast dazu, in Faust:
Mae-Phaistos [78]
Schmiede-Mythen portraitieren oft mißgestaltete Menschen, s. a. "Wieland
der Schmied", und die Schmiede-Zwerge in der 'klassischen Walpurgisnacht' in
Goethes Faust.
[79]
Zum Mythos des Prometheus, dem "vorbedacht Handelnden", s.a. Bazon
Brock,
AGEU, p. 136-137. Im menschlichen sozialen Kontext sorgen die
Autoritäten
des Establishment
dafür, daß Charaktere, die mit allzu kreativen Einfällen Unruhe
stiften, ihre gebührende Strafe finden. S.a.: "Kultur im Spannungsfeld von
Tradition und Innovation": "
Innovation
wird als gefährlich oft empfunden, weil stets sie mit Veränderung
verbunden
".
->:INNOVATION_GEFAHR,
p.
83 [80]
also sein statisches
Sein,
Ontik
S.a.
Schrödinger (1951: 27-31), p. 31: "Die Substanz hat ihre Rolle
ausgespielt".
[82]
Die morphologische(n) Schule(n) nach Goethe werden weiter unten behandelt.
Goethe gibt den alles formenden und erzeugenden Kräften dieses Elements
ein grandioses Denkmal in Faust (8033-8487) "Felsbuchten des
ägäischen Meeres", in einem der szenischen Höhepunkte des
gesamten Werkes, dessen phantastischer Bilderreichtum ein einziger Hymnos an
die zeugende Kraft des
Kosmogonischen
Eros
des Wassers ist. (S.a.: Goethe (1972: 571-582); Klages (1981,III: 353-498)). In
diesem Zusammenhang ist das Spannungsfeld der geomorphologischen
Erkenntnispositionen der
Neptunisten
und
Plutonisten
erwähnenswert. (
Krätz 1998). Goethe war
Neptunist,
nahm also das Element Wasser als bestimmendes in der Erdgeschichte an. Zwar ist
diese Position heute überholt, aber das dahinter stehende Spannungsfeld
der Erkenntnispositionen der Fokussierung auf das
Flüssige
oder das
Feste
ist weiter aktuell. So ist Leben aus diesem Spannungsfeld entweder durch
substantielle Faktoren bestimmt (Kohlenwasserstoff-Verbindungen wie RNS, DNS,
Proteine, Kohlehydrate), oder aber von flüssig-dynamischen: Hydrodynamik
und -Mechanik, und Ionenprozessen. Im politischen Bereich spricht
Karbe
(1995: 20, 34) die grundsätzlich unterschiedlichen politischen
Ausrichtungen des wasserbasierten Systems von Venedig (in der Nachfolge der
griechischen und phönizischen Seefahrerstaaten) gegen die sonst
vorherrschenden land- und territorial-basierten Staatsformen an.
[84]
In Anlehnung an die Odyssee eine tripolare "
Skylla
und
Charybdis
"-Situation.
Spengler
sah in seinem Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes", die kulturelle
Situation einseitig unter dem (eukaryotischen) organischen Paradigma. "Kultur"
ist aber, wie die prokaryotische Transmission,
potentiell
unsterblich
.
[85]
Als Beispiel für metaphorische Anwendung der Entropie auf soziale
Verhältnisse:
Woehlcke (1996).
[86]
Siehe z.B. die katholische Kirche, die Tradition der zentralaustralischen
Aborigines.
[87]
Auch als "Kreativität um jeden Preis" bekannt. Z.B. in der chinesischen
Kulturrevolution.
[89]
Snell: "Naturwiss. Begriffsbildung im Griechischen", in Gadamer (1989:
21-42).
Heidegger
(1977b: 8): Die Übersetzung der griechischen Namen in die lateinische
Sprache ist keineswegs der folgenlose Vorgang, für den er noch
heutigentags gehalten wird... Das römische Denken übernimmt die
griechischen Wörter ohne die entsprechende gleichursprüngliche
Erfahrung dessen, was sie sagen, ohne das griechische Wort. Die Bodenlosigkeit
des abendländischen Denkens beginnt mit diesem Übersetzen.
[91]
S. Ortega Y
Gasset (1996, IV: 126-151), "Glanz und Elend der
Übersetzung", das Traduttore - Tradittore-Wortspiel im Italienischen p.
127;
Heidegger (1976b: 245).
Pinker
(1995: 61): ... Whorf did not actually study any Apaches; it is not clear that
he ever met one. His assertions about Apache psychology are based entirely on
Apache grammar - making his argument circular.
[95]
was nicht bedeuten muß, daß sie von der größten Zahl der
Menschen gesprochen wird. Da liegt Chinesisch vorn.
Pinker
(1995: 61), zitiert die köstliche Parodie von Mark Twain, die hintersinnig
mit der barocken deutschen Sprachstruktur auch gleich die dunkleren Seiten des
deutschen Nationalcharakters diagnostiziert.
Bodmer
(1985: 257-307), (p. 257): German is the most conservative... It has not gone
far beyond the level of English in the time of Alfred the Great. Consequently
it is the most difficult to learn... A brief account... will help to bring the
dead bones of German grammar to life.
[97]
(
Galinski 1996), Publikationen der TKE-Konferenzen, persönl.
Kommunikation, Dr. Christian Galinski (Infoterm, Wien). S.a.
Spengler (1980:
734-735).
[98]
Wobei sich die Frage erhebt, welche Vorteile die Komplexität bietet. Z.B.
ob sich über die größeren Möglichkeiten der feinen
Nuancierung und Differenzierung auch subtilere Aussagen machen lassen. Es gibt
viele Argumente für das Lernen von Altgriechisch und Deutsch.
[99]
Inzwischen sind wir aber 85 Jahre, und zwei deutsche Totalzusammenbrüche
weiter.