4. Meta-Morphologie:
Eine Systematik der Muster, ihrer Transmission, und ihren Veränderungen
Morphologie
von griech.
Morphae
(Form, Gestalt, Geste, Muster), engl:
pattern[140],
bedeutet im vorliegenden Kontext:
Eine
allgemeine Systematik der Betrachtung von Patterns, Formen, Mustern,
oder
Gestalten.
[141]
Im Sinne der Lehre der
Metamorphosen
nach
Goethe
bezeichnet damit
Meta-Morphologie
die Lehre der
Transmission,
und
der Systematik der
Veränderungen
von
Patterns. Der Fokus auf die Dynamik unterscheidet die Meta-Morphologie
wesentlich von der klassifizierenden und eher statischen Morphologie der
Biologie.
[142]
Der Faktor der Dynamik, "Kultur als Werden", findet sich auch in der deutschen
Kulturmorphologie von Frobenius und Spengler, die sich auf Goethes Arbeiten zur
Morphologie gründet. Der vorliegende Ansatz versucht in den folgenden
Darstellungen, eine neue theoretische Basis im Sinne heutiger
wissenschaftlicher Erkenntnis zu finden.
[143]
Der Begriff der "kulturellen Muster" (patterns of culture) wurde von Ruth
Benedict
(1934) in ihrem berühmten Werk geprägt. Sie formulierte dort auch
ihre Grundunterscheidung von Kulturen in "Apollinisch" und "Dionysisch", und
die Herleitung der Begriffe von Nietzsche. Sie war eine Schülerin von
Franz Boas, welcher als Immigrant nach Amerika gekommen war, und in Deutschland
u.a. bei Adolf
Bastian,
dem Gründervater der deutschen Ethnologie, am Berliner
Völkerkunde-Museum gearbeitet hatte.
[144]
Adolf Bastian war als Universalgelehrter
bestens mit den Klassikern vertraut, und kannte wie viele der gelehrten
Deutschen seiner Zeit, den Faust wohl auswendig, sowie alle Details der alten
Mythologien, die Goethe im Faust nur andeutet
.
Der bekannteste (und kontroverseste) kulturmorphologische Autor ist
Spengler
(1980)
.
Ruth Benedict nimmt in ihrer Arbeit auf die Gestalt-Psychologie
und die Kulturmorphologie Spenglers
Bezug
.
Wohl noch bekannter als Ruth Benedict war eine weitere Schülerin von Boas,
Margret Mead,
[145]
deren (zeitweiliger) Ehemann Gregory
Bateson
eine kybernetische Lehre von den "Mustern der Muster" (Patterns of patterns:
Metapatterns)
aufgestellt hat.
[146]
Batesons
Begriff der
Information
(nicht mit der nachrichtentechnischen, von Shannon, zu verwechseln) ist:
Information
is the difference that makes a difference
.
[147]
4.1. Was
ist ein Muster? Die neuronale Basis
Wie
oben schon dargestellt, wird im vorliegenden Kontext keine starke
Unterscheidung zwischen den verschiedenen möglichen Bedeutungen von
Morphae
gemacht:
Muster
(
pattern)
ist die allgemeine (generische) Bezeichnung für die unterscheidbaren
Inhalte des Wahrnehmungsfeldes eines allgemeinen neuronalen Systems.
[148]
Die Verbindung mit Batesons Begriff der "
difference
that makes a difference
"
ergibt sich aus der Eigenschaft des Patterns als Differenzen-Feld im
Wahrnehmungssystem.
[149]
Mit
Form
oder
Gestalt
kann ein spezieller Bereich des gesamten Feldes bezeichnet werden, der mit
einer Auswahlfunktion (z.B. Bewußtsein) gerade fokussiert wird.
[150]
Ein Muster ist ein Berkeleysches Gebilde (
esse
est percipi
)
[151].
Seine "Existenz" (sein
Sein)
ist nicht, wie von Berkeley postuliert, von Gott abhängig, sondern davon,
ob es von einem allgemeinen neuronalen System (biologisch oder technisch)
prinzipiell erkennbar ist.
Von
den Sinneszellen werden die Wahrnehmungsleistungen in Pulscodierungen der
neuronalen Aktionspotentiale umgewandelt, und über verschiedene
Zwischenstufen (Ganglienknoten / Rückenmark) ins Zentralnervensystem
(Gehirn) geleitet. Von dort werden wiederum neuronale Pulscodierungen an die
ausführenden (motorischen, endokrinen, exkretorischen) Körpersysteme
geleitet. Das Gehirn befindet sich in ständiger neuronaler Aktivität,
und seine Struktur, die synaptischen Verbindungen seiner Neuronen
untereinander, ist in ständiger Veränderung. Die Neuronen des Gehirn
selber vermehren sich aber nicht mehr. Während die Welt des Erlebens ihre
charakteristischen sinnlichen Qualitäten (Qualia) aufweist, ist die
Arbeitsweise des neuronalen Systems digital, sie beruht auf den Pulsfrequenzen
der Aktionspotentiale
.
Das neuronale System bildet im Erkennen von Mustern wiederum selbst auf seinen
Neuronen charakteristische Aktivationsmuster aus, bestehend aus
Oszillationsfeldern und logischen Relations-Strukturen von
Neuronalen
Assemblies
,
die formal als gekoppelte dynamische Systeme und
Neuronale
Attraktoren
behandelt werden, und deren Funktion durch ihre
Raum-Zeit-Dynamik
bestimmt ist.
[152]
Damit ist das
Pattern
auch die "Infrastruktur" der neuronalen Prozesse in unseren Gehirnen,
unterhalb,
und einige Millisekunden
bevor
sie in unserem Normalbewußtsein als
Phänomene
und
Noumena
(Denk-Dinge) erscheinen. Die Grundlage der
Erkennung
ist die
Differenzbildung
oder
Distinktion
(G. Bateson, s.o., und Bazon Brock: Neuronale Aesthetik).
[153]
4.1.1. Muster-Transmission
als "Sein in der Zeit"
Muster-Erkennung
ist eine
aktive
Handlung
[154].
Unter dem Paradigma der Prozess-Orientierung ist die
Transmission
eines Musters
eine äquivalente Bezeichnung für "
Sein
in der Zeit
"
(im folgenden mit
Persistenz
abgekürzt). Wenn ein Muster
[155]
über eine feststellbare Zeit-Distanz
transmittiert wird (oder sich selber transmittiert) dann "
ist"
es im ontischen Sinne
.
Die
damit verbundenen Grundprobleme, welcher "Natur" dieses (sich selbst)
erhaltende Muster ist, sind seit der vorsokratischen Philosophie über
Aristoteles (
physis,
hylae-
morphae)
[156]
bis heute ebenso aktuelle wie ungeklärte Fragen
.
[157]
Es ist hier nicht der Platz, diese hintergründigen Fragen näher zu
behandeln, sondern es wird in pragmatischer Herangehensweise versucht, aus der
offensichtlichen Existenz und Stabilität von Mustern in unserer Welt
(besonders der Biologie) allgemeine Regeln abzuleiten und sie auf den
Themenbereich, die Transmission von Kulturmustern anzuwenden.
4.1.2. Temporale
Morphologie: Rekurrenz und Musik
Eine
Morphologie von
Mustern
in der Zeit
steht in engster Beziehung zur
Musik.
Die morphologische Definition von
Rhythmus
ist die "
Erkennung
/
Erzeugung eines Musters der Rekurrenz
".
[158]
Rekurrenz basiert auf neuronalen Muster-Erkennungsfunktionen, die
Ähnlichkeit
feststellen. Absolut
Gleiches
gibt es, wie Nietzsche richtig bemerkte, in der Natur nicht, sondern nur in der
platonischen Welt der Logik und der Zahlen. Ein
Ton
ist ebenfalls ein Muster der Rekurrenz, aber auf einer tieferliegenden
neuronalen Ebene. Das Erkennen eines
Verhältnisses
von Tönen
(
Intervall)
ist demnach Ergebnis eines
Mustervergleichs
höherer Ordnung
(
Metapattern
nach G. Bateson,
Meta-Muster).
[159]
Musik basiert auf
Erzeugung
und Wahrnehmung von temporalen Mustern und Meta-Mustern. Das
Pythagoräische System beruht auf dem Paradigma der Betrachtung und
Interpretation aller Abläufe des Kosmos und der Menschenwelt auf der Basis
solcher temporaler Muster.
[160]
Von besonderer Bedeutung sind hierbei die
Wendungen
bzw.
Kehren:
musikalische:
strophae,
(
kata-strophae)
[161],
und kosmische:
Tropae
(
en-tropia).
Die Einbettung der Musik in die kosmischen Muster wird noch heute von der
indischen Raga-Tradition praktiziert
.
[162]
4.1.3. Die
Grenzen der Beobachtung temporaler Muster
Die
Grenzen der Wahrnehmung / Beobachtung temporaler Muster werden auf der einen
Seite durch die temporale Auflösung des menschlichen neuronalen Systems
bestimmt, und auf der anderen Seite durch das Erinnerungsvermögen und die
menschliche Lebensdauer.
[163]
Kurz-periodische Muster bis ca. 10-20 KHz können als
Töne
akustisch wahrgenommen werden, während die untere Auflösungsgrenze
des optischen Systems bei ca. 1/10 Sec. liegt. Erst mit elektronischen
Hilfsmitteln wie Oszilloskopen und Spektrums-Analysatoren läßt sich
die Musterwelt der höheren Frequenzen sichtbar machen. Bei sehr
lang-periodischen Mustern, wie etwa Veränderungen des Sternenhimmels (z.B.
die Präzession der Equinoktien) muß die Musterwahrnehmung über
viele Generationen der Beobachtung und der kulturellen Transmission gehen. Dies
wurde schon von vor-schriftlichen Kulturen beherrscht.
[164]
Es ist ein wesentliches Grundproblem der Geschichtsforschung, daß ihre
Mustererkennung selbst ein Produkt der kulturellen Transmission ist, die damit
auch der aktuellen Filterfunktion im Weltbild des Geschichtsforschers unterliegt
.
[165]
4.1.4. Metapattern,
Hierarchie, spatio-temporale Perspektiv-Muster
Metapatterns
oder
Metamuster
sind nach Bateson
Muster
von Mustern
.
Hierarchische
Metapatterns
sind eine spezielle Klasse, die rekursiv in einer Ordnungsrelation von 1:n
stehen. Wissenschaft beruht auf Systemen von hierarchischen Metapatterns
.
[166]
In Verallgemeinerung des optischen Begriffs werden sie hier auch
Perspektiv-Muster
oder kurz
Perspektiven
genannt.
Das Ziel der Morphologie ist die Erlangung von möglichst weit- und
tiefgreifender Perspektiv-Muster-Erkennung
über
Raum und Zeit
(spatio-temporale
Perspektiven).
[167]
Der emotionale Erlebniswert der plötzlichen Eröffnung solcher
Perspektiven, nach langen, mühseligen Anstrengungen, ist deutlich aus den
Berichten Petrarcas,
[168]
Spenglers,
[169]
und Gumilevs
[170]
zu erkennen. Hier ist natürlich der Rahmen der menschlichen Begrenzungen
zu beachten (siehe Bazon Brock)
[171].
4.1.5. Mathematische
Modelle der Muster-Transmission
Verschiedene
Verfahren zur mathematischen Modellierung der Muster-Transmission werden vor
allem mit genetischen Algorithmen (Mühlmann 1996: 53-54, 78-81, 87,
100-109), und Simulationssystemen im Bereich der Memetik implementiert. Da
Memetik auf dem WWW auf vielen Sites mit Textmengen, die nur in Multi-Megabytes
zu messen sind, verteten ist, wird hier von einer genaueren Darstellung des
Themenbereichs abgesehen.
[172]
Folgende WWW-Sites enthalten weiterführendes Material:
The
Journal of Memetics
http://www.cpm.mmu.ac.uk/jom-emit/
(URL) http://www.cpm.mmu.ac.uk/jom-emit/online.html
(URL)
Memetics
bibliography:
http://www.cpm.mmu.ac.uk/jom-emit/biblio
(URL)
The
Lycaeum: http://www.lycaeum.org/
(URL)
http://www.lycaeum.org/~sputnik/Memetics/index.html
(URL)
Principia
Cybernetica: http://pespmc1.vub.ac.be/
(URL)
Memetics
index: http://143.236.107.53/authors/kkitow/memetics/
(URL)
Ein
zentraler WWW-Knotenpunkt für alle Arten von Memetik-Algorithmen mit
umfassender Bibliographie ist zu finden unter: "Memetic Algorithms' Home Page
:
http://www.ing.unlp.edu.ar/cetad/mos/memetic_home.html
(URL)
4.2. Die
Epochen von Muster-Transmissionsklassen
Es
ist möglich, Epochen von Muster-Transmissionsklassen in unserer Welt
aufstellen, die sich in einer zeit-perspektivischen Darstellung normiert in
Zehnerpotenzen von Fünf anordnen lassen. Selbstverständlich ist die
Genauigkeit der Zeitschätzung, vor allem der älteren Musterklassen,
"cum grano salis" zu handhaben.
[173]
1)
Die atomar- physikalisch- chemischen Muster, deren Persistenz über ca. 15
Mrd Jahre Geschichte des Universums reicht,
2)
die molekular-biologisch-genetischen Muster-Transmission der Prokaryoten
über ca. 4-5 Mrd Jahre Geschichte der Biosphäre,
[174]
3)
die Evolution der vielzelligen Organismen (Metazoen) auf der eukaryotischen
(Zellkern-) Basis seit ca. 500 Mio Jahren,
[175]4)
die neuronal-Verhaltens-Muster der Säugetiere und Vögel seit dem Ende
der Dinosaurier vor ca. 50.000.000 Jahren,
[176]
5)
die Gestik- / Laut- / Werkzeug-Gebrauchs- Muster der Anthropoiden
,
seit ca. 5.000.000 Jahren,
[177]
6)
die Werkzeug- / Feuer- / Ritual- / Sprach- / Symbolik- Muster des
Homo
Sapiens
,
[178]
seit ca. 500.000 Jahren,
[179]
7)
die Bild-Artefakt-Muster des Homo Sapiens Sapiens (oder Cro Magnon) seit ca.
50.000 Jahren, die etwa in den Ausdrucksformen von Altamira, Lascaux, und
Chauvet zu finden sind,
[180]
8)
die Sprach-Zeichen-Codierungs-Muster der Schrift, seit ca. 5.000 Jahren, wovon
das Alphabet, die dominante abendländische Form der Schrift, etwa die
Hälfte dieser Zeit, ca. 2500 Jahre existiert,
[181]9)
Buchdruck,
mechanische Schrift-Muster-Verarbeitung, seit ca. 500 Jahren,
10)
elektronische, automatische, programmgesteuerte Signalverarbeitung, Computer:
50 Jahre.
Die
Modi der Transmission der atomar- physikalisch- chemischen Muster aus Klasse 1)
stehen nicht im Fokus unserer Betrachtung, sondern werden als gegeben
angenommen. Es ist aber keinesfalls selbstverständlich, daß (oder
warum) Atome die Konstanz aufweisen, die sie für uns haben, im Rahmen der
vorliegenden Untersuchung ist der (nach Ansicht der heutigen Physik) atomare
Aufbau der Welt die Grundlage der Konstanz des Universums, und für unsere
Betrachtung ist es unerheblich, ob die zeitliche Persistenz eines
Wasserstoff-Atoms auf seiner
Dinglichkeit
(oder
Substanz)
beruht, oder darauf, daß es eine bestimmte Form von
dynamischen
Phänomen ist, etwa eine
stehende
Welle
,
oder ein
Soliton
(nach der Chaos-Theorie), im Raum-Zeit-Kontinuum.
[182]
4.3. Die
geosphärische System-Einbettung der Musterklassen
Die
oben genannten Musterklassen stehen in einer hierarchisch geschichteten
System-Einbettung, bei der die jeweils älteren Musterklassen die Basis
für die jüngeren bieten. Ihre energetisch-materielle Einbettung
läßt sich nach
Vernadskys
(und seiner Nachfolger) thermodynamischer Kosmologie
[183]
in
verschiedenen Sphären anordnen, die an der Kugelgestalt der Erde
ausgerichtet sind. Im Folgenden wird das über Klammersymbole
ausgedrückt, die wie geschachtelte Kugelschalen
[184]
zu lesen sind:
(Kosmo-
(Iono- (Strato- (Atmo- (Hydro- (Litho- (Geo-Sphäre)))))))
(Bio-Sphäre)
Das
Erdsystem wird energetisch von der Strahlungsenergie der Sonne angetrieben, der
hier die
Kosmosphäre
zugeordnet ist. Sie stellt also die energetische Quelle dar, sowie die Senke
für abgestrahlte thermische Energie. Sie ist auch die Quelle von anderen
kosmischen Einflüssen, wie Sonnenflecken-Aktivität,
[185]
Kosmische Strahlung,
[186]
Planetenbahn-/ Erdachsen-Instabilitäten,
[187]
Meteoriten, Super-Novae, sowie noch unbekannten Faktoren, die beim Durchgang
des Sonnensystems durch verschiedene Bereiche der Galaxie auftreten
können, und das Leben auf der Erde beeinflussen. Die nächsten
Sphären sind die ionisierten äußeren (Iono-), die mittleren
(Strato-), und die inneren Schichten (Tropo-) der Luft (Atmo-), des Wassers
(Hydro-), der Gesteinsschichten (Litho-), und schließlich, des Erdmantels
und des Erdkerns (Geo-Sphäre).
Vernadskys
Arbeit handelt wesentlich von den Interaktionen des Lebens, der
Biosphäre,
mit der (Atmo- (Hydro- und (Litho- Sphäre, welches er als chemisch-
energetisches Gesamtsystem betrachtet.
[188]
Lovelock formulierte unabhängig von Vernadsky in seiner Gaia-Hypothese
eine ähnliche Sicht dieses Gesamtsystems, und entwickelte es in seiner
Zusammenarbeit mit Lynn
Margulis
weiter.
[189]
Da der terrestrische Film des Lebens, die Biosphäre, hauptsächlich
wasserbasiert ist, können wir es
als
Extension
der Hydrosphäre ansehen.
[190]
Der wesentliche neu dazukommende Faktor der Biosphäre sind die o.g.
Musterklassen des Lebens, die sich ebenfalls mit der Sphären-Metapher
darstellen lassen:
(Bio-
(Oeko- (Semio- (Anthropo- (Ethno- (Noo- Sphäre)))))
Diese
Schachtelung stellt einen Ansatz dar, verschiedene Gliederungen, die z.T. der
Nachfolge von Vernadsky entstammen, weiter zu systematisieren. Diese weiteren
Sphären sind weitere logische Ordnungen, bzw. Entwicklungen der
Biosphäre. Die
Oekosphäre
(A.G.) wird hier als Generalbegriff für alle inter-organischen
Kommunikations- und Interaktions-Formen eingeführt, die in der heutigen
Ökologie
vor allem unter ihrem energetischen und materiellen Aspekt untersucht werden.
Die
Semiosphäre
als Sammelbegriff der Zeichenkommunikation der Lebewesen stammt von Lotman,
[191]
Anthroposphäre
als Gesamtheit der menschlichen Biomasse,
[192]
und
Ethnosphäre
der verschiedenen menschlichen Kulturmuster von Gumilev,
[193]
Noosphäre
der höheren symbolischen Gebilde von Chardin, LeRoy und Vernadsky.
[194]
Ebenfalls bei Gumilev findet sich der Begriff
Technosphäre
für die dem Naturkreislauf (zeitweise) entzogenen Artefakte des Menschen,
[195]
und im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Begriff
Bibliosphäre
geprägt.
[196]
4.4. Die
Transmission phylogenetischer und ontogenetischer Muster
Beim
Übergang von den prokaryotischen zu den eukaryotischen Organismen von
Klasse 2) zu 3) liegt nach der obigen Differenzierung die Schranke zwischen
phylogenetischer
und
ontogenetischer
Transmission, die für die vorliegende Untersuchung wesentlich ist. Dies
soll jetzt genauer betrachtet werden.
Wir
hatten am Anfang eine thermodynamische Definition von Leben aufgestellt:
Die
Aktivität von dissipativen Strukturen, ihre Muster gegen den entropischen
Strom der Auflösung zu a) bewahren, b) fortzupflanzen, und c)
fortzuentwickeln
.
Fall a) nennen wir
Autopoiaesis,
Fall b)
Vermehrung,
und c)
Evolution.
Etwas
spezifischer können wir sagen, daß das Leben in der Biosphäre
der Erde
[197]
auf
dissipativen
Strukturen
beruht, molekularen Reaktionen von Kohlenwasserstoff-Verbindungen in
ionisierten wässrigen Lösungen. Dies sind im wesentlichen
Tröpfchen von Wasser, genannt Zellen, die von bestimmten Strukturen
eingeschlossen und stabilisiert werden,
[198]
den Zellmembranen, Cytoskelett, etc. Grundvoraussetzung ist immer ein Potential
freier Energie, welches degradiert wird. (Dissipation, als Erhöhung der
Gesamtentropie des Umgebungssystems der Zelle, im Normalsprachgebrauch auch das
Konsumieren
von Nahrung
,
und die
Erzeugung
von Abfallstoffen
).
Zu
a): Die Besonderheit dieser Strukturen ist, daß sie sich in einem
hochgradigen thermodynamischen Un- oder Fließgleichgewicht befinden, sie
also Herakliteische Paradebeispiele sind. Ihre
Konfiguration
ist höchst instabil
,
und sie müssen sich fortwährend immer selbst neu konstruieren (
Autopoiaesis)
[199].
Dies wird mit einer besonderen molekularen Struktur, dem DNS / RNS-Komplex
erreicht. Dieser Komplex beinhaltet einen Bauplan, nach dem die Zelle permanent
ihre eigenen Bestandteile erneuert (Fall a), und sich periodisch dupliziert,
die "
Zellteilung"
oder "
Vermehrung"
(Fall b). Über viele Generationen von b) kommt es gelegentlich zu
Veränderungen der DNS/RNS-Baupläne (
Mutationen)
und zu der heute allgemein akzeptierten Vorstellung von der
Evolution
(Fall c). Dieses Schema liegt allem Leben zugrunde.
4.4.1. Der
"Erinnerungs"-Bruch zwischen Prokaryoten und Eukaryoten
Es
entstand aber vor ca. 0,75 bis 1,5 Mrd Jahren ein entscheidender Bruch mit dem
Auftreten der Zellkern-Organismen, der
Eukaryoten,
die die "Konstruktions"-Basis der Vielzeller (Metazoen) bilden. Dies ist
für unsere Betrachtung von höchster Wichtigkeit. Die
ursprünglichen Träger des irdischen Lebens, die
Prokaryoten
(heute meist als Bakterien bekannt), hatten vermutlich den ganzen Planeten mit
einem Film einzelligen Lebens bedeckt (
Vernadsky,
Margulis,
Jantsch).
Sie lebten so ca. 3 Mrd Jahre vor dem Erscheinen der ersten Eukaryoten
"herrlich und in Freuden", und "wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie
noch heute". (Das ist in der Tat so, denn nach aller Erkenntnis sind heutige
Bakterien nach den selben Mustern gebaut, wie die ersten ihrer Art, was
allerdings nie mit Sicherheit zu beweisen sein wird). Denn Bakterien haben, im
Gegensatz zu den bedauernswerten Metazoen (den Vielzellern), einen
entscheidenden Lebensvorteil: Sie sind prinzipiell unsterblich (wenn sie nicht
gerade in die Flamme eines Schweißbrenners o.ä. geraten). Ein
Bakterium teilt sich einfach fortwährend in seine Abkömmlinge mit dem
gleichen DNS-Bauplan, und stellt somit das beste nur denkbare Muster einer
immerwährenden Transmission dar. Ein solcher "paradiesischer" Zustand in
einer unerschöpflichen Nährlösung ist auch auf dem großen
Planeten Erde irgendwann einmal aufgebraucht. Eine erfolgreiche
Bakterienkolonie vermehrt sich so lange, bis ein vorhandenes Nahrungsreservoir
aufgebraucht, oder die Umgebung mit Abfallstoffen vergiftet ist. Das geht bei
den großen Vermehrungsraten von Bakterien sehr schnell. Oder eine
Bakterienkolonie gerät in ein Milieu, das an sich schlechte
Überlebensbedingungen bietet (z.B. stark säurehaltig). In seinem
solchen Fall sterben die Bakterien entweder ab, oder entwickeln Mutationsfomen
(Modifikationen ihres DNS-Bauplans), mit dem sie sich an die andersartigen
Lebensbedingungen anpassen. Dieser Faktor der Varianz kann als ein
Proto-Phänomen des "Lernens" und der "Erinnerung" von Bakterien bezeichnet
werden.
[200]
Denn die DNS speichert "Rezepturen" des Stoffwechsels, mit dem sie sowohl in
der alten wie in der neuen Umwelt überleben können. Man kann sagen,
sie haben "gelernt". Das wesentliche hierbei ist, daß Bakterien hiermit
nicht nur ihre
ontogenetischen
"Erfahrungen" an die kommenden Generationen weitergeben können, sondern
sie auch durch Verschmelzung ihrer DNS
untereinander
austauschen
können.
[201]
Wenn man das auf menschliche Verhältnisse übertragen würde, so
würde das bedeuten, daß "Schule" äquivalent ist mit intensiv
promiskuitiven Sexualverkehr
.
Bei
Bakterien gibt es keinen Unterschied zwischen der Transmission
ontogenetischer
und
phylogenetischer
Muster
.
4.5. Der
Bereich des Inter-Organischen:
Das
Ökosystem als Kommunikationsstruktur
Bei
allem evolutionären Fortschritt ist leider mit der Bildung von
eukaryotischen vielzelligen Lebewesen, den Metazoen, ein großer "
Bruch
in der Erinnerung
"
verbunden: Da keinerlei Erfahrungsresultate aus dem Leben des Organismus in den
DNS-Bauplan zurückwirken können (Weismann-Barriere), muß alles,
was ein vielzelliger Organismus in seinem Leben gelernt hat, mit ihm zu {Staub /H
2O
/CO
2
/H2S
...} zerfallen (oder im Magen anderer Organismen landen: =
recycling),
wenn seine Lebenszeit am Ende ist.
Die
weitere phylogenetische (stammesgeschichtliche) Entwicklung der Formen der
Organismen, die Evolution, ist nach der (neo-) Darwinistischen Perspektive des
Einzel-Organismus dann eine Sache der Anpassung (Fitness heißt An- oder
Einpassung) des DNS-Bauplans an die Gegebenheiten der Umwelt.
[202]
Nur diejenigen Organismen transmittieren ihre genetischen Muster in die
nächste Generation, die ins reproduktionsfähige Alter überleben,
und sich dann auch reproduzieren. Die heute dominierende (neo-) Darwinistische
Sicht der Biologie beruht auf einer uralten Tradition der Naturbeobachtung der
individuellen Organismen und ihrer Kollektive, den Populationen. Sie ist schon
aus dem Paläolithikum dokumentiert (ersichtlich z.B. aus den Felsbildern
von Altamira u.a.), und die großen Erfolge der Tier- und
Pflanzen-Domestikation des Neolithikums waren nur durch eine eingehende
angewandte Kenntnis der genetischen Grundmechanismen möglich.
[203]
Die Wissenschaft hat in den letzten 2300 Jahren seit Aristoteles die
Systematisation der Morphologie und der genetischen Abstammung der
Individal-Organismen zu der heute bekannten biologischen Ausformulierung
gebracht.
[204]
Nun
soll ein Perspektivenwechsel vollzogen werden: Anstatt mit dem Fokus auf
individuelle
Organismen
,
können wir den weiteren Fortgang der Evolution auch aus der Perspektive des
Inter-Organischen
betrachten, also aus der Sicht aller Verbindungen und Einwirkungen von
Organismen untereinander und aufeinander, dem Bereich, der oben die
Ökosphäre
genannt wurde. Dies ist natürlich erheblich schwieriger und komplexer, als
die Betrachtung der individuellen Organismen, die man ja fangen und sezieren
und präparieren und im Museum ausstellen kann, und deren härtere
Reste sich auch in den fossilen Strata erhalten, während ihre Bewegungen,
Töne, und chemischen Spuren sich kaum jemals dauerhaft konservieren lassen.
[205]
So ist es nicht verwunderlich, daß diese Sichtweise erst wesentlich
später aufgenommen wurde. Wesentliche Ansätze dazu kamen von J.v.
Uexküll,
Bateson,
und aus einigen
Bereichen
der Ökologie,
[206]
wo man im Gegensatz zur (Neo-) Darwinistischen Sichtweise das Ökosystem,
und nicht den individuellen Organismus als die Einheit der Selektion ansieht.
[207]
Weiterhin hat die
Biosemiotik
in den letzten Jahrzehnten angefangen, dieses gewaltige Gebiet zu erfassen,
aber die Wissenschaft steht hier erst in einem sehr frühen Stadium
.
Alle Organismen eines Ökosystems stehen direkt oder indirekt
fortwährend in Beziehung: im Austausch von visuellen, auditiven und
chemischen Signalen und Spuren, oder über das Fressen und Gefressenwerden,
dem direkten Austausch ihrer Körpersubstanz (frei nach
Mcluhan:
the
medium is the message
).
Die Biosemiotik erfaßt alle diese Austauschverhältnisse unter dem
Aspekt von Zeichen. Die Gesamtheit aller Zeichenaustauschprozesse in der
Biosphäre kann man auch die
Semiosphäre
nennen
.
[208]
4.5.1. Neuronale
Resonanz und Kommunikation
Die
Existenz von inter-spezies Kommunikationsprozessen ändert allerdings
nichts wesentliches an dem grundlegenden Abbruch der ontischen Erinnerung mit
dem Tode der Organismen, und damit der Unmöglichkeit der direkten
Weitergabe von individuellen Lernerfahrungen an die folgenden Generationen.
Dies
änderte sich erst, als mit Aufkommen hochentwickelter Nervensysteme, vor
allem der Vögel und Säugetiere,
neuronale
Koppelungen
zwischen der Eltern-Generation und den Jungen, wesentlich über die
Brutpflege,
oder über
Herdenverhalten,
aufgebaut werden konnten.
[209]
Das Kernprinzip der
neuronalen
Koppelung
ist in der Biologie auch als
Prägung[210]
bekannt, mit der sich Jungtiere an die Verhaltensmuster ihrer Eltern oder
älterer Herdenmitglieder anpassen. Wenn der Mensch in dieser Phase
auftritt, findet eine Prägung an den Menschen statt. Dies war die Basis
der Domestikation von Tieren.
[211]
Über diesen Mechanismus ist somit die
Transmission
ontogenetischer Muster
parallel zur genetischen Transmission
[212]
auch für Vielzeller möglich geworden.
Im
folgenden soll das Grundprinzip dieser Transmission die
Neuronale
Resonanz
genannt werden
.
Wie schon dargestellt, ist die Arbeitsweise des neuronalen Systems digital, sie
beruht auf den Pulsfrequenzen der Aktionspotentiale
.
Wenn Organismen in Kommunikation stehen, stehen ihre Nervensysteme in einem
wechselseitigen Stimulationsprozess. Wenn man die neuronalen Potentiale
während eines solchen Prozesses mißt, so kann man eine
Frequenz-Synchronisation feststellen. In Analogie zu klanglichen
Phänomenen läßt sich daher
Kommunikation
als ein
neuronales
Resonanz-Phänomen
auffassen. Es lassen sich somit Einschwing- und Ausschwing-Phasen und
Periodizitäten,
also
Rhythmen,
feststellen.
[213]
Menschliche
Kultur entstand auf der Basis der neuronalen Resonanz. Bazon Brock spricht in
diesem Kontext von
Empathischer
Übertragung
[214]
und
Mimesis.
[215]
Von allen Tieren unterschieden und spezifisch menschlich sind die
Transmissionsformen, die mit
Symbolik
und
Sprache,
[216]
(
Radermacher
(1998), Ebene 3), und
abstrakten
Formalsystemen
(Radermacher
(1998), Ebene 4), in Verbindung stehen. Radermachers Begriff des
Super-Organischen
basiert auf dem
Inter-Organischen,
mit der zusätzlichen Charakteristik, daß es die Lebensspanne der
einzelnen Organismen in seiner Transmission überdauert /
überbrückt.
4.5.2. Die
ökologische Einbettung menschlicher Kulturen
Menschliche
Kulturen sind
entscheidend
in die ökologischen Gefüge ihrer Regionen eingebunden.
[217]
Das beinflußt auch die kulturellen Transmissionen, sowohl in der
Möglichkeit der Entstehung und Entfaltung, als auch in ihrem Ende.
[218]
Einerseits ist durch die gravierende Einwirkung des Menschen auf die Pflanzen
und Tiere seiner Umwelt, der neolithischen Agrikultur- /Viehzucht-Revolution,
erst die Zivilisation heutiger Art möglich geworden. Die Arbeitsteilung,
die durch das Nahrungs-Surplus ermöglicht wurde, ist die Basis für
alle stärker differenzierten Kulturmuster. Auf der anderen Seite ist der
Untergang vieler Hochkulturen der Vergangenheit mit ökologischen
Veränderungen / Imbalancen verbunden gewesen. Entweder durch
Klimaveränderung
,
wie Versteppung und Verwüstung der Siedlungsräume, (heutiger
Wüstengürtel zwischen Nordafrika, Mesopotamien, und Inner-Asien)
.
[219]
Oder, die vom Menschen verursachten starken Veränderungen des
Ökosystems begünstigen die massenhafte Vermehrung von
Nutznießer-Organismen (Parasiten, "Schädlinge") und bringen so
Seuchen (Malaria, Pocken, Pest) und Nahrungsmittel- Versorgungskatastrophen,
die aber erst durch die maximale Bevölkerungszahl an der Grenze der
ökologischen Tragfähigkeit zu ihrem katastrophalen Ausmaß
kommen können.
[220]
Diese Wechselwirkungen mit den Organismen des Ökosystems lasssen sich
ebenfalls als kulturelle Transmissionsmuster verstehen. Bestes (oder
schlechtestes) Beispiel dafür war die (Fast-) Ausrottung der Indianer
Nord- und Südamerikas durch die Pocken und andere Seuchen bei der
europäischen Eroberung des Kontinents.
[221]
4.6. Das
Faust-Thema: Virtuelle Unsterblichkeit und Kulturelle Transmission
Wie
oben schon ausgeführt erscheint der evolutionäre "Fortschritt" der
Eukaryoten wie ein gewaltiger Pferdefuß gegenüber der
beneidenswerten virtuellen Unsterblichkeit der Bakterien, da er den
unvermeidlichen Tod heraufbeschwört. Wir wollen deshalb noch einmal auf
das Faust-Thema zurückkommen und die dort angeklungenen mythologischen
Untertöne noch einmal vernehmen lassen.
[222]
4.6.1. Nyx,
die Nacht, Thanatos, der Tod, und Laetae, das Vergessen
In
den Eingangsszenen (1328-1384)
,
in denen sich Mephistopheles als der thermodynamische
Archae-Typos
der
Dynamis
und des
Chaos
vorstellt, nimmt er auch auf seine Mutter, die Urmutter
Nyx,
die Nacht, Bezug (1349-1352). Die
Nyx
war als Schwester von Gaia/Gea/Chaea ebenfalls direkt aus dem Chaos entstanden.
Seine Geschwister sind nach
Hesiodos
(211 ff.) "das verhaßte Geschick" (
Moron)
und "das schwarze Verderben" (
Kaera)
und der Tod (
Thanatos)"
sowie der Schlaf (
Hypnos),
die Träume (
Oneiron),
die
Moiren:
Klotho,
Lachesis,
und
Athropos,
die
Nemesis,
und die
Laethae
(das Vergessen), sowie noch einige weitere Übel der Menschheit. Sie sind
nur als Kollektivität zu verstehen: "Ich bin ein Teil des Teils, der
anfangs alles war (
en
archae ... ta panta
)
[223]"
(1348).
Nach
der Mythologie war
Laethae
nicht nur eine Göttergestalt, sondern auch ein
Fluß,
von dessen Wasser die Seelen der Toten trinken mußten, wenn sie sich
wieder auf die Welt in eine Wiederverkörperung gebären lassen
wollten. Und die Mythologie zeigt sehr genau die Verfluchung des "Lebens zum
Tode", die im Abriß und Auslöschen der Erinnerung liegt. Deshalb hat
der alte philosophische Begriff der
a-laetheia
(das Unverborgene) noch eine andere mythische Bedeutung, der über die
philosophische Version hinausreicht.
Alaetheia
bedeutet nämlich wörtlich "die Wieder-Er-Innerung (der Erfahrungen
aus früheren Leben)".
[224]
Nach der Mythologie ist diese Form der
alaetheia
mit der Errungenschaft des Pythagoras verbunden, der von den Göttern ein
Geschenk bekommen sollte. Zwar konnte er nicht unter die Unsterblichen
aufgenommen werden, und so wünschte er sich die
alaetheia
seiner früheren Leben. Ihm blieb also das Schicksal aller anderen
Sterblichen erspart, zwischen Tod und Wiedergeburt alle Erinnerungen an die
früheren Leben zu verlieren
.
Im
Faust-Drama wird der Übergang vom 1. zum 2. Teil (4613-4678), nach den
schrecklichen Erlebnissen um Gretchens Tod, mit einem Eintauchen in den Schlaf (
Hypnos),
die Träume (
Oneiron),
und dem Abwaschen der furchtbaren Erinnerungen und der Schuldgefühle in
den Wassern der
Laethae
gestaltet (4629). Auf diese Weise kann Faust wieder als Mensch erscheinen, ohne
von den bleiernen Schatten seiner Schuld, den Erinnyen, bis an sein Lebensende
erbarmungslos gejagt zu werden.
4.6.2. Der
Kampf gegen den Sog der Zeit
Die
letzten Szenen des Faust-Dramas stellen eindringlich das verzweifelte
Aufbäumen der Kreatur gegen den unerbittlichen Sog der Zeit
[225]
in seiner rasenden Aktivität dar. Der Kampf gegen die Zeit ist das
Wettrennen, und mit genau dieser Formulierung wird auch der Pakt Faustens mit
Mephistopheles geschlosssen:
Werd'
ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst
du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn! / Die Uhr mag
stehn, der Zeiger fallen, / Es sei die Zeit für mich vorbei! (1699-1706)
Denn
es kommt Faust auf Unsterblichkeit (in der kollektiven Erinnerung der Menschen)
an:
Zum
Augenblicke dürft' ich sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Es
kann die Spur von meinen Erdentagen / Nicht in Äonen untergehn. - / Im
Vorgefühl von solchem hohen Glück / Genieß' ich jetzt den
höchsten Augenblick. (11581-11586)
Aber
in genau diesem Moment, mit der Illusion des Sieges über die Zeit vor den
Augen, hat Faust den Pakt verloren:
Den
letzten, schlechten, leeren Augenblick, / Der Arme wünscht ihn
festzuhalten. ... / Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand. / Die Uhr
steht still - / Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht. / Der Zeiger
fällt. / Er fällt, es ist vollbracht. / Es ist vorbei. (11589-11594)
Brock
(AGEU, 205): Ruhmsucht war das kräftigste Handlungsmotiv des antiken
Menschen, weil Ruhm zu erwerben bedeutete, unsterblich zu werden.
Bazon
Brock hat die entscheidende Bedeutung der kollektiven Erinnerung für die
antiken Menschen dargestellt. In der Erinnerung der folgenden Generationen
weitergetragen zu werden, in ihren Geschichten und Gesängen fortzuleben,
war ihr höchster Wunsch, wie die griechischen Heroen, die von Homer
besungen worden sind. Goethe setzt diese Tradition fort, und läßt
sie in Faust II wieder
auferstehen,
und erfüllt sie wieder mit neuem Leben, indem er sie in die Handlung
seines Stücks einbindet. Hier hört das Drama auf, eine Bühne zu
sein, auf der das Stück "Faust" aufgeführt wird, und wird gelebtes
Leben. Goethe bindet sich selbst, und den Leser, in den Prozess der kollektiven
Erinnerung mit ein.
[226]
4.6.3. Kulturelle
Transmission als virtuelle Unsterblichkeit
Kulturelle
Transmission ist eine Form der virtuellen Unsterblichkeit.
[227]
Zwar überlebt nicht der Mensch in seiner fleischlichen Form, aber einige
seiner tiefsten und wesentlichsten Gedanken und Empfindungen können so
über die Jahrhunderte und Jahrtausende weitergetragen werden. Jeder
Brahmane, der heute die Sanskrit-Verse des Mahabharata aus dem Gedächtnis
rezitiert, er-innert und impersonifiziert nicht nur das
Gedächtnis
an Krishna und Arjuna, sondern Krishna und Arjuna leben in ihm auf eine Weise
fort, die in einer Zivilisation der schriftlichen kulturellen Transmission nur
schwer vorstellbar ist.
[228]
Ebenso lebt Mohammed in seinen Koran-Versen weiter fort, und die jüdischen
Propheten in den Versen der Bibel. Umgekehrt hat der, der heute diese
Gesänge er-innert, auf eine ebenso schwer vorstellbare Weise Teil an der
Unsterblichkeit dieser Überlieferung.
Mit
diesem Seitenblick auf die Mythologie und die Religion finden wir einige
Hinweise und Gründe für die erstaunliche Tatsache, daß
kulturelle Muster extrem langlebig sind. Die Überlieferung der Juden ist
etwa 3500 Jahre alt,
[229]
die Vedische ist ungefähr gleich alt (wenn man nach den Brahmanen geht,
aber wesentlich älter),
[230]
die Christliche immerhin 2000 Jahre, und die Islamische 1400 Jahre. Die
australischen Aborigines behaupten von ihrer Überlieferung sogar,
daß sie mehrere 10.000 Jahre alt ist, aber das ist kaum zu verifizieren.
Die
ältesten Staatsformen waren etwa 2000 bis 2500 Jahre alt, aber wiesen
große (über hundert Jahre dauernde) Zivilisationseinbrüche auf:
So das ägyptische und das chinesische Reich. China stellt heute den
langlebigsten existierenden Zivilisationszusammenhang dar, vor allem aufgrund
des Konstanzfaktors der Schrift, die über alle Sprach- und
Staatsveränderungen hinweg eine Konformität des Denkens über ca.
2500 Jahre versichert hat.
[231]
Die ältesten europäischen Staaten waren Byzanz und Venedig, mit je
etwa 1000 Jahren.
4.6.4. Die
Morphologie der Zeit-Geister
Goethe
erfand seinen Faust-Stoff nicht aus der Phantasie, sondern er führte damit
einen schon lange laufenden Prozess weiter, der im deutschen Sprachgebrauch als
ein Phänomen des
Zeit-Geistes
bezeichnet wird. Seine Leistung war es, diesen Stoff, der die Geister der
Menschen offensichtlich so tief erregte, in eine neue Form zu
überführen, und ihm damit eine neue Aktualität zu geben. Er
formte damit ein neues mythologisches Selbstbild des abendländischen
Menschen, wie Spengler ausführte,
[232]
und sein Weitblick erfasste genau die Dynamik der Entwicklung der
techno-kapitalistischen Zivilisation, die sich in den letzten 200 Jahren
entfaltete. (Binswanger 1985). Im Rahmen der hier aufgestellten
Morphologie
der Cultural Patterns
handelt es sich um das
Weben
und Wirken von Wesen der Semiosphäre
.
[233]
Diese ist die Welt der
Zeit-Geister,
in einem sehr wörtlichen Sinn. Denn es sind Geister, deren Wesen mehr
zeit-haftig
ist, als räumlich faßbar
.
Die
Semiosphäre
ist eine Welt der flüchtigen Phänomene, denn Kommunikationsprozesse
sind, auch wenn sie immer auf Medien und Energien angewiesen sind, subtiler als
rein materiell-energetische Formungs- und Austauschprozesse (wie etwa das
Schmieden eines Eisenstücks). In den Arbeiten von Jung und Campbell
(1972-1996) wird das Wirken dieser Wesen als
Mythologisches
Drama
bezeichnet. Das Drama von Faust und Mephistopheles behandelt somit einen
zentralen Nexus
[234]
von archetypischen Kräften in der Menschheitsentwicklung. Campbell (1996:
701-793).
4.7. Die
Zeitstruktur des menschlichen Erlebens
Alles,
was im Leben eines Menschen stattfindet, all sein
Erleben,
Handeln
und
Erinnern,
passiert im Moment des
Jetzt,
dem
Fokus
des Augenblicks
.
[235]
Dieser Augenblick mit all seinen Geschehnissen und Erlebnissen, reißt den
Menschen unwiderruflich den Strom des Lebens entlang. Von diesem
unwiederbringlichen Augenblick handeln auch die schicksalsschweren Zeilen in
Faust (11581-11594). In der Neurophysiologie spricht man von dem
Drei-Sekunden-Bewußtsein
des Menschen (Pöppel).
[236]
Das
Handeln
und
Erleben
kann nur im Augenblick stattfinden. Alles andere ist
Erinnerung
und
Erwartung,
die ebenfalls nur im Augenblick stattfinden.
Erinnerung
ist mit der Vorstellung von der
Vergangenheit
verbunden,
Erwartung
mit der Vorstellung von der
Zukunft.
Die Zukunft ist uns im wesentlichen verborgen. Unsere
Erwartungen
bestehen
im wesentlichen aus Extrapolationen unserer Erinnerung, und Schlußformen,
die auf Mustervergleichen beruhen. Die bekanntesten davon nennt man
Induktion
und
Kausalität,
und sie lassen einige Aussagen über die Zukunft zu.
[237]
Heidegger hat in "Sein und Zeit" eine ausführliche phänomenologische
Beschreibung des Seins in der Zeit und in der Welt gegeben.
[238]
4.7.1. Die
Pyramide als Symbol des menschlichen Zeiterlebens
Ein
altes Symbol, das wir auf jeder US-1-Dollar Note finden, das Auge auf der
Pyramide, gibt eine passende Darstellungsmöglichkeit des menschlichen
Zeiterlebens. Im folgenden ist dieses Bild etwas schematisiert dargestellt.
Das
Auge auf der Pyramide
4.7.2. Gegenwart
- Zukunft - Vergangenheit
In
der Figur stellen die Bereiche A, B1, B2 und B3 eine Pyramide dar, wie auf der
US-1-Dollar Note zu sehen. Der Bereich (A) auf der Spitze der Pyramide, der das
Auge enthält, symbolisiert das
Jetzt
oder
Gegenwartsbewußtsein,
wie es so treffend in der deutschen Sprache heißt:
Der
Augen-Blick
.
Dies ist das 3-Sekunden Bewußtsein nach Pöppel, also der
zusammenhängende Zeitraum, der als der
Moment
erfahren wird.
"Vergangenheit
ist uns nur präsent als
gegenwärtiger
Gedächtnisinhalt und Zukunft ist nur als
gegenwärtige
Erwartung des Kommenden gegeben."
[239]
Der Bereich (C) der
Zukunft
ist gestrichelt
dargestellt,
so daß er wie der Ansatz einer umgekehrten Pyramide über (A)
aussieht. Da Zukunft nur in der Imagination und Projektion des
Bewußtseins besteht (bevor sie faktisch, und damit erlebte Gegenwart und
Vergangenheit geworden ist), ist die Strich-Punkt Linie eine geeignete
Form
der Darstellung.
Der
solide Bau der Pyramide, die Welt des faktischen und gewesenen, aufgeteilt in
die Bereiche (B1), (B2) und (B3), ist der Bereich der
Vergangenheit,
[240]
in mehreren diskreten Stufen:
B1:
die Kurzzeit-Erinnerung und die biographischen Erlebnisse, die
Lebenserinnerungen des Individuums.
[241]
B2:
die kollektive, kulturelle Erinnerung, in Sprache und Erzählungen,
Gebräuchen und Traditionen, Schrift, Institutionen und Gesetzen. Weiterhin
die durch wissenschaftliche Methoden aus materiellen Spuren erschlossene
Vergangenheit. Die Fein-Einteilung in weiteren Stufen ist dargestellt als die
Muster-Transmissionen der Ethnosphäre nach den o.g. "Epochen von
Muster-Transmissionsklassen".
[242]B3:
die phylogenetische Erinnerung unseres genetischen Erbes, die
Körperfunktionen, und die Instinkte, der
Weltbildapparat.
Dies beinhaltet die o.g. Muster-Transmissionen der Bio-und Semiosphäre.
[243]
Darunter
liegt (D), der Bereich, in dem die Pyramide in den Boden übergeht, er
deutet die Grenze des Vergessens, des Todes, und des chthonischen, des "Reichs
der Mütter"
[244]
an. Dies ist das Reich der Kinder der Urmutter Nyx, der Nacht, die Goethe im
Faust in Nacherzählung der Theogonie des Hesiod und anderer griechischer
Mythologien wieder auferstehen läßt, der Schlaf, der Tod, die
Nemesis, die Moiren, und ihre Geschwister, die Träume.
4.7.3. Die
Kluft, die unsere Vergangeheit und unsere Zukunft unüberbrückbar
trennt
Bazon
Brock
(1986: 194) stellt die Kluft von Vergangeheit und Zukunft so dar:
Was
in der Gegenwart von der Geschichte verwirklicht werden kann - und uns Zukunft
garantiert - ist gerade die historische Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit
alles Gewesenen.
Das
in der Gegenwart präsent gehaltene Vergangene
erzeugt uns gegenüber eine schauernmachende Wirkung, weil es uns auf die
Kluft verweist, die unsere Vergangeheit und unsere Zukunft
unüberbrückbar trennt. Was wir wollen, ist eines, was daraus wird,
ein anderes. Niemand - das sagen uns die Zeugnisse der Vergangeheit - kann
durch irgendwelche noch so heroische Anstrengungen dafür garantieren,
daß sich die Zukunft als Verwirklichung seiner Pläne bestimmen
läßt. Sie hat einen eigenen Plan, den erst zu erkennen vermag, wer
das Ende der Geschichte in der völligen Stillegung des zeitlichen
Vergehens erlebt hat. Das wird der Fall sein, wenn alles bisher Vergangene
simultan die lebendige Gegenwart ausmacht und daher nichts Neues mehr geschehen
kann. Da dieser Zustand menschlichem Bewußtsein niemals zugänglich
sein wird, bleibt es den Menschen verwehrt, von einem Plan der Geschichte
Kenntnis zu nehmen.
4.7.4. Ereignislandschaft
und Uchronie
Paul
Virilio hat in einem treffenden Bild den Perspektivblick über die gesamte
Geschichte des Universums dargestellt. Wenn auch nur in unserer Imagination,
können wir von dieser Warte eine Perspektive über die
Ge-Schichte
der
Geschichte
erlangen.
[245]
Wir erinnern uns an die oben genannten "Epochen von Muster-Transmissionsklassen".
[246]
Es ist ein Aussichtspunkt, der für uns so außergewöhnlich ist,
wie für die mittelalterlichen Menschen der Blick Petrarcas 1335 von dem
Gipfel des Mt. Ventoux. Der Anregung von Paul Virilio folgend, erblicken wir
von dieser hohen Warte -
eine
Ereignislandschaft
:
Virilio
(1998: 9): Für Gott ist die Geschichte eine Ereignislandschaft. Für
ihn gibt es keine Abfolge, weil alles gleichzeitig da ist... Diese nur schwer
vorstellbare transhistorische Landschaft erstreckt sich über alle
Zeitalter hinweg, von einer Ewigkeit bis zur anderen. Und dieser kaum denkbaren
Zone entspringen seit Anbeginn der Zeit die Generationen, die sich durch ihren
beständigen Wandel gegen den Horizont einer ewigen Gegenwart abzeichnen...
Eine Zeitlandschaft, in der die Ereignisse unversehens an die Stelle der
Oberflächengestalt...
treten, in der Vergangenheit und Zukunft aus ein und derselben Bewegung
hervorgehen und ihre Gleichzeitigkeit offensichtlich zutage tritt.
Der
Begriff "
uchronisch"
von Bazon Brock charakterisiert "die Zeitform, in der die verschiedensten
Vergangenheiten zugleich präsent sind" (Stratmann 1995: 136), und der
Blick über die Ereignislandschaft, "die Erfahrung der Gleichzeitigkeit und
der Gleichörtlichkeit
"
(Brock, AGEU: 134) ist der ultimate Gipfel der Uchronizität.
En
archae, kairos: Der Ur-Sprung ist im "Jetzt"
Hier
bietet sich der Ansatz für eine weitere Lösung für das wohl
älteste
Koan
der Menschheit, zwischen Hesiodos, Anaximandros, Joh. 1.1., und Faust: was denn
nun wirk-lich "
en
archae
"
ist, nach der
"Natur"
des Ur-Sprungs
.
[247]
Der Ursprung liegt "
In
der Tat
",
wie Faust schon richtig bemerkte, denn das
Jetzt
ist ewiges Weben, Werden und Wirken
[248]
der thermodynamischen Fließgleichgewichte der Organismen. Aber die
Antwort von Faust ist
im
Sinn von Radio Eriwan zu bewerten: Im Prinzip ja, aber die Fragestellung ist
falsch. Man darf nicht danach fragen, was
im
Anfang war
(Vergangenheit),
sondern was
im
Ur-Sprung ist
(Gegenwart). Desweiteren muß man die Fragestellung umkehren, es ist nicht
zu fragen, was der
Inhalt
des
Ur-Sprungs
ist,
sondern,
worin
der Ur-Sprung
besteht.
Principium
(en archae
,
en-ergeia)
non est principiatum
(ergon).
Die Römer hatten hierfür in ihrer pragmatischen Art noch einen
anderen Satz geprägt:
Hic
Rhodos
[249],
hic salta
![250]
4.7.5. Mnaemae,
Gedächtnis, und Erinnerung
Erinnerung
basiert auf
Rekurrenz
ähnlicher Muster im neuronalen System. Das Gedächtnis ist seit
Aristoteles Gegenstand intensiver Forschung.
[251]
Da das Hören eine neuronale Rekurrenz-Funktion ist, ist Erinnerung
wesensmäßig mit dem Hören verbunden,
[252]
was die ansonsten kryptische Passage von Aristoteles in seiner Einleitung zur
Metaphysik (980 b 21) erhellt. In der heutigen Neurologie sind die
Grundfunktionen der Erinnerung, die neuronalen synaptischen Verbindungen, zwar
prinziell bekannt, aber wie (und wo) die neuronalen Prozesse für welche
Erinnerung(en) genau stattfinden, ist noch weitgehend ungeklärt.
[253]
Im vorliegenden Zusammenhang sind die allgemeinen Phänomene der
Muster-Transmission vorrangig vor differenzierenden Unterscheidungen.
Erinnerung
wird als generischer Begriff für alle in diesen Bereich fallenden
Phänomene gebraucht, seine
deutsche
Be-
deutung
als
Er-Innerung
wird mit Hegel
[254]
zur Akzentuierung ihres Prozesscharakters und der fortwährenden
Neuschöpfung gewählt. Dies positioniert den Gebrauch vor allem gegen
den
Speicher-Aspekt,
der in heutigen Diskursen vor allem mit Computer-Metaphern vorherrschend
geworden ist. Der Begriff des
memory
bei Computer-Termini wie RAM (Random Access Memory) müßte korrekter
storage
heißen. Um irgendwie gespeichertes Datenmaterial für praktische
Aktion nutzbar zu machen, muß es dynamisiert werden, und in menschliche
Er-Innerung überführt werden
.
4.7.6. Vergangenheit
und Selbst-Erinnerung
Selbst-Erinnerung
ist der Schlüsselfaktor zur Selbst-Identität des Menschen, und die
absolute Schranke der Selbst-Erinnerung ist der Tod, wenn man die Mythologie
und die Esoterik einmal außer acht läßt
.
Erinnerung zeichnet sich wesentlich dadurch aus, daß sie unvollkommen und
unzuverlässig ist. Generell ist festzustellen, daß Erfahrungen umso
schlechter erinnert werden, je länger sie zurückliegen. Wenn es sich
um Ereignisse handelt, die häufig vorkommen, wird das Einzelereignis
ebenfalls schlecht erinnert.
[255]
Heftige Emotionen wirken sich verstärkend auf die
Erinnerungsfähigkeit aus. Starke Schmerzen vergißt man so schnell
nicht wieder, und vor allem, man vergißt auch ihre Begleitumstände
nicht. Daher wurde Schmerz in vielen Kulturen systematisch als Mnemo-Technik
par excellence eingesetzt.
[256]
Zwischen
der absoluten Schranke des
Todes
und dem
Jetzt,
steht noch die
kleine
Schranke des Schlafes
,
in dem sich jede Nacht die Selbst-Erinnerung ausschaltet, und dem
Traumbewußtsein weicht. Normalerweise wacht man am nächsten Morgen
wieder mit einer erneuerten Selbst-Erinnerung auf. Aber die
Qualität
der Erinnerung an die Erlebnisse des heutigen Tages unterscheidet sich merklich
von der des letzten Tages. Es ist zwar noch die "Ich"-Erinnerung vorhanden,
aber wie mit einem Schleier überzogen. Und je weiter wir in unserer
Erinnerung zurückzugehen versuchen, desto schleierhafter wird diese.
4.7.7. Das
Schnittfeld ontogenetischer und phylogenetischer Transmission im Körper
Der
Körper (das Soma) eines jeden Organismus ist das Produkt der ungebrochenen
Reihe der phylogenetischen Transmission von der Entstehung des ersten Lebens
bis zum Jetzt. Die Instinkte der Tiere sind phylogenetische "Erinnerungen" an
bestandene Herausforderungen ihrer Vorfahren. Ebenfalls kann das Training von
Körperfunktionen als ontische "Erinnerung des Körpers" angesehen
werden. Wer sich z.B. noch an die Zeit des Laufen-Lernens er-innert, und sich
die ungeheuren Anstrengungen und Frustrationen wieder vergegenwärtigt, die
das anfangs bereitete, dem ist klar, daß das heutige, so scheinbar
anstrengungslose Laufen, eine auf
Millisekunden
herunterkondensierte, immer weiter fortgeschaltete Erinnerungsfunktion, an die
essentiellen Faktoren der Schwerkraft, der Beschleunigung, der
Muskelkontraktion, und des Gleichgewichts, ist.
[257]
Dasselbe läßt sich von allen gewohnheitsmäßigen,
erlernten, motorischen Aktivitäten unseres Leben sagen, wie Sprechen,
Schreiben, mit-Messer-und-Gabel-essen, Fahrrad- und Autofahren
.
[140]
Das deutsche Wort "Muster" wird hier als Übersetzung des englischen
Begriffs "
Pattern"
verwendet.
Pattern
weist in der genannten Literatur auf eine Gesetzmäßigkeit, und
Regelmäßigkeit hin, die sich über alle Modalitäten der
Wahrnehmung erstrecken kann.
[141]
Frei
Otto: Naturverständnis, (1985: 27). p. 32: "Morphologie greift die
Konstruktionsebene lebender Energiewandler ab."
Eine
dynamische Morphologie in der Biologie wird bei Darcy
Thompson (1966)
entwickelt: "On growth and form".
Portmann (1974) bezieht sich zentral auf
die Goethesche Morphologie. Zu
Wölfflins Gestaltbegriff in der Kunst:
p. 151. Bezug zu J.v.
Uexküll, p. 153.
Mit
Bezug auf Bazon
Brocks Konzept des
Generalismus
(
Stratmann 1995: 85-89) können wir Morphologie auch die "
Systematik
des Allgemeinsten
"
nennen. Ein
Morphologe
ist demnach ein
Spezialist
für das Allgemeinste
.
[142]
Weiteres Material zur biologischen Morphologie: R.
Riedl (1990),
Kauffman
(1993: p. xxx)
[143]
z.B. die von dieser Schule angefertigten globalen Verbreitungskarten
kultureller Muster.
Haberland (1973: 1-13). Da
Morphologie
"
die
Lehre der Formen
"
ist, sind inhaltliche Unterschiede nicht so gravierend.
->:MORPHOLOGY,
p.
128,
->:GOETHE_MORPHOLOGY, p.
129,
->:KULTURMORPHOLOGIE, p.
131 [145]
Margret Mead und Gregory Bateson hatten in der Zusammenarbeit in ihrer Ehezeit
auf ethnographischem Gebiet bahnbrechende Arbeit bei der Einführung des
neuen Mediums der Photographie für die Dokumentation visueller
Phänomene in der Kultur geleistet. (
Bateson 1972: 107-127).
[146]
Wie er beschreibt, unter dem Einfluß von Benedicts Buch.
Bateson
(1979: 211-212).
(451):
What is it in the territory that gets onto the map? ... in fact, [it] is
difference,
be it a difference in altitude, a difference in surface, or whatever.
Differences are the things that get onto a map.
But
what is a difference? A difference is a very peculiar
(452):
and obscure concept. It is certainly not a thing or an event... if we start to
ask about the localization of those differences, we get into trouble...
Difference which occurs across time is what we call "change"... A difference,
then, is an abstract matter.
(453):
In fact, what we mean by information - the elementay unit of information - is
a difference which makes a difference...
http://www.neurop.ruhr-uni-bochum.de/~porr/luhmann3/node4.html
(URL)
[149]
Brock (AGEU: 147): Bedeutungen entstehen für alle Menschen bei jeder Art
von Tätigkeit nur dadurch, daß Menschen in der Lage sind, Dinge
voneinander zu unterscheiden.
[151]
Popkin (1956: 200-208). In Kontradistinktion zu
Parmenides: "to gar auto
noein estin te kai einai" (wahrlich, dasselbe ist Erkennen und Sein). (1974:
B1, 1,21)
Breidbach
(1993-1997), Brock (NeuroAe), Brock (1994),
Calvin (1989), (1991) (1996a),
Edelman (1992),
Gazzaniga (1989),
Haken (1992),
Maturana
(1982-1994a),
Pöppel (1978-1995),
Riegas (1990),
Roth (1996),
Schmidt (1987, 1991),
Spitzer (1996),
Mühlmann (1996: 30);
Brock:
http://www.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Brock/Projekte/NeuroAe2.html
(URL),
Howard
Bloom: Tools of Perception - The Construction of Reality: History of the
Global Brain, Part VII, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/glob/default.html
(URL)
[153]
Anthropologische Konstanten, Distinktionismus, Brock, AGEU, p. 12-13, Neuronale
Ästhetik:
http://www.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Brock/Projekte/NeuroAe1.html
(URL)
, .../NeuroAe2.html , .../NeuroAe3.html
http://www.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Brock/Projekte/NeuroAe2.html
(URL)
Der
Beweis wird durch die sog.
Gestaltbilder
erbracht: Hier läßt das erkennende neuronale System im aktiven
Auswahlverfahren entweder die eine oder die andere Variante als
phainomenon
erscheinen.
[155]
Gegenstände sind eine spezielle Klasse von Mustern, deren Zusammenhalt auf
den atomar- /chemischen Bindungskräften beruht.
[156]
Heidegger (1976b: 239-301) "Vom Wesen und Begriff der
Physis,
Aristoteles, Physik B, 1".
[157]
Die Physik ist nicht an den metaphysischen Hintergründen dieser Muster
interessiert, sondern beschäftigt sich mit mathematischen Darstellungen
ihrer Eigenschaften. S.a. (
Straub 1990: 17)
[158]
S.a.
Klages (1981, III, 499-551): "Vom Wesen des Rhythmus".
[163]
Er-innerung ist essentiell für das Erkennen der Musterhaftigkeit von
temporal auseinanderliegen Ereignissen, also ihre Gruppierung unter einem Merk-
mal.
[165]
S. a. das Zitat von Bazon
Brock "Theorie der Avantgarde", unter "Kultur im
Spannungsfeld von Tradition und Innovation".
->:TRADITION_INNOV,
p.
82 S.a.
Gumilev (1990: 186): "grouping on the principle of similarity and causal
succession"; die Anmerkungen von
Spengler zur Morphologie der Wissenschaften
(1980: 548-553);
Schunk (1996); Riedl (1990);
Barrow (1998: 5-6, 57-58,
89, 190-193).
Barrow
(1998: 192): The inevitability of pattern in any cognizable Universe means that
there can exist descriptions of all these patterns. There can even be patterns
in the collections of patterns, and so on. In order to describe these patterns,
we need a catalogue of all possible patterns. And that catalogue we call
mathematics.
Its existence is not therefore a mystery: it is inevitable. In any universe in
which order of any sort exists, and hence in any life-supporting universe,
there must be pattern, and so there must be mathematics.
Robin
Allott: "A contemporary definition is that mathematics is the science of
pattern and deductive structure (replacing an older definition of mathematics
as the science of quantity and space)."
Robin
Allott: http://www.percep.demon.co.uk/biomath.htm
(URL)
Heidegger
(1976b: 244):
Epagogae
meint nicht das Durchlaufen einzelner Tatsachen und Tatsachenreihen, aus deren
ähnlichen Eigenschaften dann auf ein Gemeinsames und "Allgemeines"
geschlossen wird.
Epagogae
bedeutet Hinführung auf Jenes, was in den Blick kommt, indem wir zuvor
über das einzelne Seiende weg blicken...
[167]
s.a.
Karbe (1995: 296-355). In einer mehr informationstechnischen
Sprechweise finden wir ein ähnliches Konzept unter dem Begriff "Conceptual
Navigation". S.a.
Veltman (1986, 1997, 1998)
[174]
Alter des Planeten Erde ca. 5 Mrd. Jahre, ab dann Einsetzen der molekular-
chemischen Evolution, die zu den selbstreproductionsfähigen, DNS/RNS
gestützten Prokaryoten (Bakterien) führt, wie sie heute noch
existieren. Älteste Bakterienfossilien ca. 3,5 Mrd. J.
[175]
Umwandlung der Erdatmosphäre von Methan- Kohlensäure zu heutiger
Sauerstoffkonzentration vor ca. 1 Mrd. J. durch Aktivität
photosynthetischer Organismen (Cyanobakterien etc.) (
Jantsch). Älteste
Eukaryoten ca. 1 Mrd. Jahre. Älteste Großfossilien von Metazoen seit
ca. 570 Mio J. (Spektrum d. Wissenschaft, Jun 1998, p. 27).
[176]
Aussterben der Dinosaurier vor ca. 65 Mio J., vermutete (umstrittene)
Verbindung mit Asteroiden-Einschlag, Chicxulub-Krater in Yukatan. Nach anderer
Hypothese Massensterben durch Ausbruch der Dekkan-Vulkane. FAZ 25.9.96, N6.
[177]
Lock (1996). Evolutionär ist die Trennung von den Schimpansen auf etwa
-8 Mio Jahre anzusetzen (
Waal 1995). Die ältesten
Australopithecus-Funde und bearbeitete Steine sind ca. 2.8 Mio Jahre alt. Man
muß noch die Zufälligkeit archäologischer Erhaltung von Funden
einbeziehen, denn Reste von Fasermaterialien tauchen normalerweise nicht in den
fossilen Strata auf. So spricht sehr viel dafür, daß das
älteste "Werkzeug" nicht der Stein, sondern die Baby-Trageschlinge war,
aber das wird nie zu beweisen sein. (Taylor 1997: 39).
[178]
meistbekannte Unterrassen: Neandertaler und H. sapiens sapiens.
Lock
(1996), http://history.evansville.net/prehist.html
(URL)
[179]
Lock (1996: 478): Homo erectus of -400.000 had the capacity for speech.
[180]
http://history.evansville.net/prehist.html
(URL)
http://www.insticeagestudies.com/readings/reptech/repmain.html
(URL)
[181]
Die Übernahme des Alphabets vor etwa 2500 Jahren durch die Griechen
koinzidiert zeitlich mit einem Muster, das
Jaspers (1955) die
Achsenzeit
genannt hat. Ob ein Zusammenhang zwischen dem geistigen Aufbruch in
Griechenland, und den etwa gleichzeitig stattfindenden Entwicklungen und Indien
(Buddha, Mahavira), Persien (Zoroaster) und China (Lao Tse) hergestellt werden
kann, ist natürlich fraglich. Tatsache ist aber, dass seit der Etablierung
des Perserreiches die Landverbindung zwischen Indien und Griechenland
passierbar war. Und daß Seide als begehrtestes Exportprodukt Chinas auch
einen entsprechenden Handelsverkehr nach sich zieht, ist
selbstverständlich. Die Mönche der buddhistischen Mission wanderten
mit den Kaufleuten über die Seidenstraßen.
->:WRITING,
p.
175 [182]
Thom (1975: 322): "The fundamental reasons for the stability of matter are
unknown".
Weiteres
Material bei
Straub (1990), z.B. p. 95, "Falks Ansicht metaphysischer
Annahmen in der Physik"; oder: Die von der Physik fast vollständig aus der
kulturellen Erinnerung gelöschte Theorie der Toroid-Atome von Lord Kelvin,
und:
Meyl 1990)
[184]
Dieses Bild entspricht in seiner Projektion auch der Ptolemäischen
Darstellung der Kugelschalen-Gestalt des Kosmos. S.a.
Spengler (1980: 621);
Spektrum d. Wissenschaft, Jan. 1993, p. 84: Schädelsche Weltchronik von
1493.
[186]
Gumilev (1990: 265) spricht von einem möglichen kosmischen
Einfluß beim Entstehen von "Drive".
[187]
Diese sind wesentliche klimatogene Faktoren, die auf Wüstenbildung und
Eiszeiten Einfluß nehmen. Sowohl der Abstand der Erde von der Sonne, und
die Exzentrizität der Erdumlaufbahn, sowie die Neigung der Erdachse,
verändern sich periodisch mit Zyklen von mehreren 10.000 Jahren.
[188]
Gumilev (1990: 215), Nach
Vernadsky (1930) ist die Lithosphere zu einem
wesentlichen Teil das Produkt der chemischen Umformungen, und mineralischen
Absonderungen und Ausscheidungen der Lebewesen (z.B. Stromatolithen,
Muschelschalen oder Korallengerüste). Geo, 4/96, p. 174-175 zur Theorie
der Entstehung der Dolomiten in den Alpen bzw. des Dolomit-Gesteins durch
Bakterien.
[190]
Gumilev (1987: 23): "All these form a single system in which the key link is
water."
Frei
Otto: "Naturverständnis" (1985), p. 29:
Hydraulik
als essentielle mechanische Grundlage der Organismen.
Was
Spengler (1980: 712-720) in diesem Abschnitt "Das Wesen der Sprache" (712)
nennt, läßt sich heute als eine intuitive Beschreibung der
Semiosphäre
bezeichnen. Z.B.: "Mit dem Menschen darf eine Untersuchung der Sprache
sicherlich nicht beginnen." "... daß nicht einmal einzellige Wesen ohne
alle Sinnesorgane sprachlos gedacht werden dürfen." (714) "Die
Weltsprachen hoher Zivilisationen sind nichts als äußerst
verfeinerte Möglichkeiten, welche sämtlich schon in der Tatsache des
gewollten Eindrucks einzelliger Wesen aufeinander enthalten sind."
[192]
Gumilev (1987: 360): In this perspective mankind is regarded as a certain
covering of the planet Earth or as part of the biosphere... the
anthroposphere... the biomass of all people together with the products of their
activity... domestic animals, cultivated plants... the anthoposphere is ... a
mosaic [consisting of] ... collections of persons.
Howard
Bloom: Creative Nets in the Precambrian Age,
History
of the Global Brain, Part II
From
Social Synapses to Social Ganglions: Complex Adaptive Systems in the Jurassic Age
History
of the Global Brain, Part V
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/glob/default.html
(URL)[202]
Kritische Stimmen dazu: siehe Roth (1996: 346-347).
[203]
Darwin selber war, strikt gesehen, Lamarckist, weil er die erbliche Weitergabe
ontogenetischer Merkmale annahm.
Hoffmeyer (1998: 471-472) erörtert die
zentralen Kritikpunkte der Biosemiotik am Neo-Darwinismus: Darwin entnahm
seinen Begriff der "Natural Selection" von der "Züchter-Selektion" der
englischen Gentleman- Pferde- und Hundezüchter des 19. Jh. Nach der
Wörterbuch-Bedeutung impliziert "Selektion" aber immer die
Intentionalität. So ist "Natural Selection" ein Kunstgriff, mit der die
Intentionalität extrahiert wird, und der Begriff dadurch leer wird.
"Survival of the fittest" ist somit eine Tautologie, die besagt, daß die,
die überleben, eben "fit" sind, und das Kriterium für das
Überleben ist exakt diese "Fitness".
[205]
S.a.
Hoffmeyer (1997) zur Einführung in die Thematik: "a complexity
beyond our imaginative power". Hier ist auch der Einfluß der technischen
Hilfsmittel wichtig. Das Mikroskop hat die Grundlage der Beobachtung der
zellularen Bausteine der Organismen und der Mikroben entscheidend geprägt.
Es ist deutlich, daß bedingt durch den beschränkten
Einstellspielraum dieses Instruments (kein stufenloser Zoom, notwendige
Präpariertechnik der Objekte), mit der erheblich zugenommenen Stärke
der Fokussierung auf Einzel-Objekte ein entsprechender Verlust der
Wahrnehmbarkeit ihrer Verbindungen und Interaktionen erkauft wird. Analog dazu
auch der Blick durch das Fernrohr, welcher in dem Prozess des Galileo seine
Rolle gespielt hat. Lippe (1997: 23, 193) erläutert, daß es genau
dieser Verlust des Zusammenhangs war, der Kardinal Bellarmino an der Wahrheit
dieser Weltsicht zweifeln ließ. In der Sprache Batesons ist hier von
einem Verlust des "pattern that connects" zu sprechen.
[207]
Bateson (1972: 451) "The unit of survival is a flexible
organism-in-its-environment".
Howard
Bloom: Biology, Evolution and the Global Brain, History of the Global Brain,
Part I:
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/glob/default.html
(URL)[208]
In Erweiterung der ursprünglichen Konzeption von
Lotman, der sie nur
für den sprachlichen Kommunikations-Bereich der menschlichen Kultur
definiert hatte.
->:SEMIOSPHERE,
p.
116 Howard
Bloom: Mammals and the Further Rise of Mind: History of the Global Brain,
Part VI
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/glob/default.html
(URL)Gumilev
(1990: 178): "Animals and birds as well as men bring up and train their
offspring."
[210]
Z.B. Konrad Lorenz und seine Graugänse,
Brock: Mimesis,
Kleinkindlernen: AGEU 151, 152.
[211]
S.a.
Mühlmann (1996, 7). Eine ausführliche Darstellung der
Bedingungen der Domestikation, besonders auch warum sich nur wenige Tierarten
erfolgreich domestizieren ließen, in
Diamond (1997).
[212]
d.h. von der Elterngeneration zu dem Nachwuchs.
Gumilev (1990: 179):
"...'signal heredity' is simply another name for tradition."
Ebenfalls
bei
Cassirer (1994: 125-127), p. 125: [der] spezifische... Unterschied ...
der zwischen dem Werden der "Natur" und dem der "Kultur" besteht.
[Anführungszeichen im Original].
[Im
weiteren Text:] "Bildung und Umbildung organischer Gestalten" ist das
große Thema aller Morphologie der Natur... Beweglichkeit und Dauer...
[213]
Uexküll, in
Cassirer (1994: 23-25);
Gumilev (1990) geht mit der
physikalischen Metapher noch weiter, und spricht von Phänomenen der
Induktion.
[215]
Brock, AGEU, p. 13-14, und Neuronale Ästhetik.
[217]
Mit der Globalisierung ist diese Einbettung global geworden, hat sich aber
prinzipiell nicht geändert. Die heute drohende Gefahr ist die globale, und
nicht mehr die lokale (Zer-) Störung der Biosphäre.
Gumilev
(1987: 358): In this spectacle we see a fierce logic of events, a pattern in
the birth and death of peoples and that link between the history of mankind and
of the biosphere of planet Earth which has so far escaped researchers both in
the humanities and in the natural sciences.
[219]
Einige Theorien versuchen, die Entstehung des Wüstengürtels auf
menschliche Einwirkung zurückzuführen (DeMeo: SaharAsia), andere auf
globale Klimaschwankungen, die u.a. kosmische Ursachen haben (z.B.
Sonnenflecken, Erdbahn-Schwankungen, etc.).
Weiteres
Material: William
Calvin, die ökologische Literatur, sowie
Beiträge im Geo-Journal.
[220]
Massenvermehrungen und -Vernichtungen sind in der Erdgeschichte mehrfach
vorgekommen. Die "Kambrische Explosion" vor ca. 500 Mio J. brachte nach den
paläontologischen Funden (Burgess Shale) und Interpretationen (
Gould)
die Entstehung der multizellularen Lebensformen der heute bekannten Phyla.
(Time, Dec. 4, 1995, p. 65-72).
Vor
286-248 Mio J.: Perm-Extinktion, 90-95 % aller Meereswesen ausgestorben, als
die größte bekannte Massenvernichtung (Scientific American). Weitere
Vernichtungen im Ordovicium und Devon. Vor 65 Mio J. Aussterben der
Dinosaurier. Vor ca. 10.000 J. Aussterben der Säugetier-Großfauna
wie Mammute, Wollnashörner, Riesenfaultiere, etc. auf verschiedenen
Kontinenten. Nur in Afrika erhielt sich eine reichhaltige Großfauna.
[221]
Bzw.
vor
der Eroberung. Denn die Pocken hatten im Inka-Reich ein Chaos verursacht, bevor
die Spanier einmarschierten, und waren ein wesentlicher Grund für ihren
leichten Sieg. Der Bruderkrieg zwischen Atahualpa und Huascar entstand als
Folge des Pocken-Todes des vorherigen Inka. Ähnlich bei der Eroberung
Nordamerikas, dessen am dichtesten bevölkerte Kulturen, des Mittelwestens
schon vor Ankunft der Weißen durch die Pocken dezimiert worden waren.
[224]
Zu "das Unverborgene", siehe die Diskussion von
ho
phainon
,
oben.
->:MEPHAISTOS,
p.
35 Alaetheia:
Heidegger (1976b: 203-238), (1977b: 44-66); Wieder-Erinnerung, (
an-amnaesis)
z.b. Plat
on,
Meno.
->:MNAEMOSYNAE,
p.
240
Heidegger
(1977a), § 42, p. 198: Worin das "ursprüngliche" Sein dieses Gebildes
[homo] zu sehen sein, darüber steht die Entscheidung bei Saturnus, der
"Zeit". Die... vorontologische Wesensbestimmung des Menschen hat sonach im
vorhinein
die
Seinsart in den Blick genommen, die seinen
zeitlichen
Wandel in der Welt
durchherrscht.
[229]
Wurde aber erst zwischen -586 bis -538 im Babylonischen Exil konsolidiert (das
Pentateuch).
Stanford (1996: p. 33).
[230]
In der brahmanischen Zeitrechnung fällt der Beginn der gerade herrschenden
Weltenepoche, des
Kali
Yuga
,
genau auf das astronomisch bestimmte Datum des 18. Februar 3102 v.u.Z. Dies ist
auch der Todestag des Weltzeit-Avatars
Krishna
des vorhergehenden Weltenalters
Dvapara
Yuga
.
Das Mahabharata-Epos handelt von den Ereignissen unmittelbar vor diesem Datum.
Thompson (1989: 19)
[232]
Spengler (1980); Campbell (1996: 724-778); Gebser (1973),
->:FAUST_BRITT,
p.
245 [237]
S.a.: Hume: zu Kausalität und Induktion (
Straub 1990: 139-146),
Nietzsche, Götzen-Dämmerung, Die Vier großen Irrtümer
[238]
Heidegger: (373): "Die vergangenen und erst ankommenden Erlebnisse sind
dagegen nicht mehr, bzw. noch nicht 'wirklich'...
Das
Dasein durchmißt die ihm verliehene Zeitspanne ... dergestalt, daß
es, je nur im Jetzt wirklich, die Jetztfolge seiner 'Zeit' gleichsam
durchüpft. Bei diesem ständigen Wechsel der Erlebnisse hält sich
das Selbst in einer gewissen Selbigkeit durch."
(410)
"An das Besorgte vielgeschäftig sich verlierend, verliert der
Unentschlossene an es seine Zeit. Daher denn die für ihn charakteristische
Rede: 'Ich habe keine Zeit'."
[240]
Genauer: der materiellen, faktischen Spuren der vergangenen Ereignisse, denn
Vergangeheit ist eine Projektion unserer Vorstellungsmechanismen.
[249]
Dies weist möglicherweise auf die Anspielung hin, die Plat
on
im Kratylos zu der Esszenz der Bewegung im "
Rho"
gemacht hat: das "
panta
rhei
"
von Heraklit...
[250]
saltare:
Springen, Tanzen -> Lucianus: "De Saltatione";
saltus
bedeutet auch
Schlucht
-> (gr.)
chao-
,
chasm-
->
ar-chae
-> Ur-Sprung / Ur-Tanz.
[255]
Wer erinnert sich noch an den speziellen Atemzug, den er vor 20 Jahren, am
Sonntagmorgen, den x.x.xxxx, beim Aufstehen tat?